Weihnachtsmarkt-Attentat

"Haben es mit einer neuen Art des Terrorismus zu tun"

Beim Anschlag von Magdeburg wurden fünf Menschen getötet und über 200 verletzt. Der mutmaßliche Täter ist ein Arzt mit ungewöhnlicher Biografie.

"Haben es mit einer neuen Art des Terrorismus zu tun"
In Magdeburg raste ein Mann in einem SUV in eine Menschenmenge auf einem Weihnachtsmarkt.
REUTERS

Mindestens fünf Tote und über 200 Verletzte: Am Freitagabend raste ein Mann mit einem schwarzen SUV in Magdeburg in einen Weihnachtsmarkt. Kurze Zeit später konnte er festgenommen werden. Beim mutmaßlichen Attentäter handelt es sich um Taleb A., einen 50-jährigen Arzt, der 2006 von Saudiarabien nach Deutschland kam. Vom Islam soll er sich seither abgekehrt haben. Ein Blick auf die Social-Media-Profile des 50-Jährigen offenbart, dass er der AfD nahestand. Eine Einschätzung von Peter Regli, ehemaliger Geheimdienst-Chef und Terrorexperte.

Die Biografie des mutmaßlichen Täters ist untypisch für so eine Tat …

Das stimmt. Ich kenne keinen vergleichbaren Fall, bei dem eine Person mit einer solchen Biografie einen derartigen Terrorakt begeht. Der Verhaftete ist ein unüblicher Täter. Meistens werden solche Attentate von jungen, schlecht integrierten Männern begangen. Das war hier wohl anders. Wir haben es mit einer neuen Art des Terrorismus zu tun.

Taleb A. soll den Behörden nicht bekannt gewesen sein. Inwiefern kann man solche Täter überhaupt frühzeitig erkennen?

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Arten von Terrorismus. Wenn mehrere Personen an der Planung eines Attentats beteiligt sind, müssen sie miteinander kommunizieren. Nur die wenigsten sind derart professionell, dass sie das nicht über soziale Medien oder Messaging-Dienste tun. Und wenn sie sich dort unterhalten, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Behörden das erfassen und die Involvierten neutralisieren können. Nicht erfassen kann man hingegen Einzeltäter, sogenannte "Einsame Wölfe". Sie bereiten ihre Tat oft alleine vor, ohne mit jemandem darüber zu sprechen. Somit ist es fast unmöglich, ihre Attentate zu verhindern.

Was könnte das Motiv hinter der Todesfahrt von Magdeburg sein?

Das Ziel solcher Terrorakte ist es grundsätzlich Angst und Verunsicherung zu verbreiten. Es wäre möglich, dass der Attentäter in Magdeburg ein anderes Ziel verfolgte. Welche, kann man aber noch nicht sagen. Hierfür ist es schlicht zu früh.

Terroranschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt

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    In Magdeburg raste ein Auto in einen Weihnachtsmarkt.
    In Magdeburg raste ein Auto in einen Weihnachtsmarkt.
    REUTERS

    Es war nicht das erste Attentat auf einem Weihnachtsmarkt. Sind die Sicherheitsmaßnahmen bei diesen Großveranstaltungen ausreichend?

    In den meisten europäischen Städten wurden in der Folge der Attentate in Berlin und Wien Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. So gibt es vielerorts Betonpoller rund um die Weihnachtsmärkte. Hintertürchen gibt es aber immer – so braucht es zum Beispiel Zufahrten für die Standbetreiber. Dass es in Magdeburg eine Schwäche im Sicherheitsdispositiv gab, ist möglich. Um das definitiv zu sagen, braucht es jedoch weitere Abklärungen.

    Wäre eine solche Tat auch in der Schweiz möglich?

    Ja. Der Terrorismus ist in Europa omnipräsent. Auch in der Schweiz kam es dieses Jahr zu einem Attentat. In Zürich hat ein 15-Jähriger einen orthodoxen Juden niedergestochen – und sich zuvor zum IS bekannt. Dass es auch hierzulande zu mehr solchen Akten kommt, ist möglich. Man muss jedoch betonen, dass in Deutschland und in anderen Nachbarländern die Migrationslage anders aussieht als hierzulande. Dennoch dürfen wir die Gefahr auch hier nicht unterschätzen. Wer in einer größeren Stadt lebt, muss sensibilisierter werden auf seine Umwelt. Wir haben heutzutage eine hybride Bedrohung. Die Leute brauchen ein gesundes Misstrauen.

    Heißt das, dass wir in Angst leben müssen?

    Nein, so weit sind wir noch nicht. Vorfälle wie Magdeburg verbreiten kurzfristig Angst, auch über die Landesgrenzen hinweg. Mittelfristig können viele Menschen aber zum Glück vergessen und sich wieder ans Positive wenden. Das ist auch gut so, denn sonst hätten die Täter gewonnen. Obwohl ich für mehr Bewusstsein bei der Bevölkerung plädiere, ist es schließlich die Aufgabe des Staates, alles dafür zu tun, dass solche Attentate erschwert werden.

    Zum Experten
    Der Schweizer Offizier Peter Regli wurde 1944 in Airolo geboren und schloss 1969 sein Studium an der ETH Zürich ab. Von 1974 bis 1977 war er als Assistent in der Schweizer Botschaft in Stockholm unter dem Verteidigungsattaché tätig. 1981 übernahm er in der Schweiz die Leitung des Nachrichtendienstes der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen. Von 1991 bis 1999 war Regli Chef des Schweizerischen Nachrichtendienstes. In der Folge der Affäre Bellasi wurde Regli mit neuen Aufgaben betraut, bevor er Ende 2000 vorzeitig in den Ruhestand trat.

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      <strong>21.12.2014: Magdeburg-Terrorist war bekannter Anti-Islam-Aktivist.</strong> Der mutmaßliche Täter des Anschlags von Magdeburg erhob schwere Vorwürfe gegen Deutschland und unterstützte Frauen, <a data-li-document-ref="120079782" href="https://www.heute.at/s/magdeburg-terrorist-war-bekannter-anti-islam-aktivist-120079782">die aus Saudi-Arabien flüchteten.</a>
      21.12.2014: Magdeburg-Terrorist war bekannter Anti-Islam-Aktivist. Der mutmaßliche Täter des Anschlags von Magdeburg erhob schwere Vorwürfe gegen Deutschland und unterstützte Frauen, die aus Saudi-Arabien flüchteten.
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      Auf den Punkt gebracht

      • Beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg wurden fünf Menschen getötet und über 200 verletzt.
      • Der mutmaßliche Täter, ein 50-jähriger Arzt namens Taleb A., der sich vom Islam abgewandt und der AfD nahestand, wurde festgenommen.
      • Experten sehen in diesem Fall eine neue Art des Terrorismus, da der Täter eine untypische Biografie für solche Taten aufweist und als Einzeltäter schwer zu erkennen war.
      red, 20 Minuten
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