Steiermark
"Ich habe es satt!" – Schützenhöfer teilt im ORF aus
Nach seiner überraschenden Rücktrittsankündigung redete der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer Freitagnacht im ORF Klartext.
Einen Monat nach seinem 70. Geburtstag hat der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (VP) überraschend am Freitag mit glasigen Augen seinen Rücktritt angekündigt. In der Nacht stellte sich der scheidende Landeschef wohl einem seiner letzten ZIB2-Interviews – und redete mit ORF-Moderatorin Margit Laufer Tacheles.
"Ich bin in meinem 71. Lebensjahr. Es ist jetzt Zeit, in der Mitte der Legislaturperiode einen neuen Boden zu legen. Das fällt mir schwer, aber ich mache das guten Gewissens", begründet er gleich zu Beginn den Zeitpunkt seines Abgangs, wiederholte dabei aber auch Wort für Wort einige Sätze von der Pressekonferenz einige Stunden zuvor.
Margit Laufer versucht ihn daraufhin aus der Reserve zu locken: "Woran sind Sie gescheitert?"
"Das sollen die Wählerinnen und Wähler beantworten. Aber, wenn man so wie ich im Jahr 1970 begonnen hat, dann hat man natürlich viel versucht." Als junger Politiker habe er sich als einer der ersten für einen Mindestlohn stark gemacht, was ihm auch aus den eigenen Reihen heftige Kritik eingebracht hatte. Die mit Franz Voves (SP) durchgesetzte Gemeindestrukturreform in der Steiermark sei zwar ein "lebensverkürzender Vorgang" gewesen, doch heute seien "alle froh, dass wir das gemacht haben".
Zweiter Versuch der Moderatorin: Schützenhöfer hätte früh die Corona-Impfpflicht vorgeschlagen, die ja jetzt Gesetz ist, aber nach Proteststürmen seit Einführung ausgesetzt ist. Die Politik hätte dadurch einen Vertrauensverlust erlitten. Nimmt Schützenhöfer diesen auf seine Kappe?
Morddrohungen
"Warum?", fragt er entrüstet. "Seien sie mir nicht böse. Da reden Sie etwas, das überhaupt nicht stimmt." Schützenhöfer pocht darauf, dass er die Impfpflicht 2020 gefordert habe. Die Kritik gibt er gerne an die Bundesregierung weiter, die die Impfpflicht, dann erst ein Jahr zu spät eingeführt hatte.
"Ich habe in den letzten beiden Jahren so viele Morddrohungen bekommen, wie in meinem ganzen Leben nicht. Das hat möglicherweise mit der Impfpflicht zu tun, aber ich stehe dazu, dass das gescheit gewesen wäre." Politiker seien dazu da, auch bei Gegenwind Flagge zu zeigen und das Richtige populär zu machen. "Wenn das nicht gelingt, muss man noch immer das Richtige machen. Da bin ich nicht gescheitert."
Opportunist?
Als Opportunist will er sich von Laufer nicht hinstellen lassen, nur weil er nach Sebastian Kurz' Abgang dann auch Interimskanzler Alexander Schallenberg und nun Karl Nehammer gelobt und unterstützt habe. Augenrollend wartete er das Ende der Frage ab, um dann doch mit einem Schmunzler heftig auszuteilen: "Das bin ich überhaupt nicht. Sie haben offensichtlich gelesen, was ihr Herr Bürger [ZIB-Innenpolitik-Chef Hans Bürger, Anm.] gesagt hat. Ein Stumpfsinn der Sonderklasse."
Er habe Kurz immer unterstützt, und der habe die ÖVP "in lichte Höhen geführt". Bei Karl Nehammer habe er das Gefühl, dass dieser gute Arbeit leiste und die Volkspartei "in der harten Realität des Lebens angekommen" sei.
Dabei bleibe es auch: "Wir haben es satt, dass wir da von Djangos und Hüftsprüngen geführt werden. Der Aufprall dann auf dem Asphalt ist hart. Der Karl Nehammer macht das jetzt auch gerade in der Ukraine-Krise sehr sehr gut. Millimeter um Millimeter verbessert sich die Position der Volkspartei, aber wir sind in keiner beneidenswerten Situation."
Inhalte und Nähe
Seine Amtsübergabe sei jedenfalls nun wohl vorbereitet gewesen: "Ich habe es satt, dass man Übergange in der Politik so macht, wie das auf der Bundes- und manchmal Landesebene so gestaltet, dass an einem Tag irgendwelche Minister zurücktreten und sich die Menschen dann nicht mehr auskennen." Sein Rücktritt komme nun zur Hälfte der Amtszeit, sein Nachfolger Christopher Drexler habe nun genug Zeit sich einzuarbeiten.
Dieser müsse nun nicht nur Inhalte bieten, sondern auch "bei den Leuten sein, den Leuten zuhören. Das gehört dazu". Inhalte seien Punkt 1 in der Politik, aber dann komme schon die Nähe zur Bevölkerung. Beides sieht er bei seinem designierten Nachfolger als gegeben. "Da passt die Mischung".
Gleichzeitig teilte Schützenhöfer gegen die seiner Meinung nach inhaltsleere Bundespolitik aus. Die Parteien dort würden aktuell eine Überschriftenpolitik fahren, aber dann keine Inhalt nachliefern. "Das ist nicht gut" in einer Gesellschaft, die bereits Risse zeigt, warnt der gebürtige Niederösterreicher.
"Was soll diese Frage!"
Bei der Frage nach einer möglichen Kandidatur als Gegner von Alexander Van der Bellen bei den Präsidentschaftswahlen, machte Schützenhöfer klar, dass er keinerlei Ambitionen auf die Hofburg habe: "Für die Präsidentschaftskandidatur stehe ich nicht zur Verfügung, auch weil die ÖVP beschlossen hat, keinen Kandidaten zu stellen. Also was soll diese Frage."