Wien
Zu teuer – Wienerin lebte zwei Monate lang ohne Strom
Die Teuerungen hinterlassen Spuren: Zwei Monate lebte Birgit K. ohne Strom und Warmwasser. Die 52-jährige ist verzweifelt.
Birgit K. (Name geändert) wuchs in Armut auf. Mit vier Jahren erlitt ihr Vater einen Schlaganfall, das kleine Mädchen musste ihm beim Sterben zusehen. Die Mutter schwer krank, war sie schon früh gezwungen, auf eigenen Beinen stehen. Mit 17 Jahren wurde sie schwanger – eine Hochzeit mit dem Kindesvater blieb nicht ohne Folgen. "Ich habe keine guten Erfahrungen gemacht, war auch im Frauenhaus", ist alles, was K. dazu sagen möchte.
"Haben immer von einem Tag auf den anderen gelebt"
Vier Kinder bekam sie von ihrem Ehemann, ehe sie sich trennte. Ihr größter Sonnenschein ist ihr fünftes Kind, eine junge Tochter. Bis vor Kurzem lebte sie noch bei der Mama – doch die prekäre finanzielle Situation der Familie zwang sie dazu, zu Verwandten zu ziehen.
"Wir haben immer nur von einem Tag auf den anderen gelebt", beschreibt die verzweifelte Frau ihre Situation. Mit dem Geld kommt sie kaum aus – und das obwohl K. fernab von jeglichem Luxus lebt. "Das wenige, das ich habe gebe ich für Lebensmittel aus. Kleidung kaufe ich selten, meine Schuhe sind noch aus dem Frauenhaus. Ich trage sie jeden Tag, egal welche Jahreszeit." Vor jedem Einkauf schreibt die 52-jährige eine Liste: "Ich kann gut Kopfrechnen, weiß genau wie viel die Produkte kosten. Dann nehme ich nur so viel Bargeld mit, wie ich errechnet habe."
"Ich wusch mich über einer Schüssel"
Doch Teuerungen und die Rekord-Inflation hinterlassen ihre Spuren: "Mittlerweile musste ich schon öfter wieder nach Hause gehen und mehr Geld holen. Allein das Geschirrspülmittel ist in einem Monat drei Mal teurer geworden, von 89 Cent auf 1,89 Euro. Es hat mich umgeworfen", klagt Birgit K.
Strom wurde abgedreht
Besonders tragisch: Weil sie die Stromrechnungen laut eigener Aussage nicht mehr begleichen konnte, wurde der Wienerin im Herbst der Strom abgedreht – mit schwerwiegenden Folgen. "Meine Tochter zog aus, denn so kann sie nicht leben. Ich fror, schlief mit mehreren Decken. Meine Wohnung ist im Erdgeschoß und sehr dunkel, aufs WC ging ich mit der Taschenlampe. Ich wusch mich über einer Schüssel, Warmwasser gab es nicht mehr." Dank Hilfe der Ombudsstelle, der MA40 und der Volkshilfe Wien hat sie nun wieder Strom.
Wien Energie: "Gemeinsam an Lösungen arbeiten"
"Wichtig ist, dass sich Kunden bei Zahlungsschwierigkeiten frühzeitig mit ihrem Energielieferanten in Verbindung setzen, damit gemeinsam an einer Lösung gearbeitet werden kann", heißt es dazu von Wien Energie. "Wir versuchen hier bestmöglich zu unterstützen. Für Menschen in besonders herausfordernden Lebenssituationen haben wir eben eine eigene Ombudsstelle."
"Es ist eine Katastrophe"
Unterstützung erhält Birgit K. auch von der Volkshilfe Wien, ein Sozialarbeiter besucht sie regelmäßig. Bei der Organisation spürt man in den letzten Wochen einen Anstieg an Anfragen in Bezug auf Energiekostenrückstände. 1.907 Anfragen mit der Bitte um finanzielle Unterstützungen langten in diesem Jahr bisher ein.
Der größte Wunsch der Floridsdorferin: "Dass meine Tochter endlich wieder bei mir leben kann. Ich weiß, das ist auch ihr größter Wunsch. So kann es nicht weitergehen. Es ist eine Katastrophe", sagt sie und appelliert: "Die Politik sollte auf die Leute schauen, denen es durch die Teuerungen schlecht geht. Es gibt ja auch viele Familien mit Kindern, die in schwierigen Situationen sind."
Wer Birgit K. helfen möchte, kann hier spenden:
Erste Bank, IBAN: AT05 2011 1800 8048 0000, BIC: GIBAATWW
Empfänger: Volkshilfe Wien, Verwendungszweck: Sozialberatung Frau Birgit