Syrien-Abschiebungen
"Größte Quelle an Flüchtlingen, die nach Europa kommen"
Eine Annäherung an den syrischen Diktator Assad soll Abschiebungen von Österreich nach Syrien ermöglichen. Der Außenminister lässt im ORF aufhorchen.
Österreich fordert mit sieben weiteren EU-Staaten eine Annäherung an Syrien, um Abschiebungen von Migranten ins Land von Diktator Baschar al-Assad zu ermöglichen. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) bekräftigte erst kürzlich in der "Welt", dass Österreich diese Initiative "ausdrücklich" unterstütze. Sie könne aber "nur Teil eines Umdenkens sein", so Schallenberg, der die EU aufforderte, eine Debatte "ohne Scheuklappen" zu führen.
Es habe sich gezeigt, dass die bisherige Politik der EU gegenüber Syrien "nicht gut gealtert" sei, denn Assad sitze als Machthaber "nach 13 Jahren immer noch fest im Sattel". Als Europäer müsse man einsehen, "dass es in Syrien keine Lösung ohne Assad geben wird", so Schallenberg. Deshalb brauche es ein Umdenken, dem sich die EU aber verweigere. Politiker müssten die Welt jedoch sehen "wie sie ist, und nicht, wie wir sie uns wünschen".
"Kein Schönreden der Taten, die Assad begangen hat"
Am späten Sonntagabend legte der Außenminister in der ORF-"ZIB2" bei Moderatorin Marie-Claire Zimmermann nach. Schallenberg stritt ab, dass er eine "Normalisierung" der Beziehungen mit Assad wolle, es gebe "kein Schönreden der Taten, die Assad begangen hat". Die Realität sei aber, "er beherrscht nun mal 70 Prozent des Territoriums". Hintergrund: In der Vergangenheit hatte Schallenberg Assad noch in die Nähe des Internationalen Strafgerichtshofs gerückt. "Wir haben Milliarden an humanitärer Hilfe gegeben", so Schallenberg, es gebe aber weiter Millionen Syrer, "die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind".
Europa müsse zur Kenntnis nehmen, "es ist die größte Quelle an Flüchtlingen, die nach Europa kommen", so Schallenberg zu Syrien. "Wir machen ja freiwillige Rückführungen schon, unfreiwillige werden nicht möglich sein", so der Außenminister. Deshalb: "Wir können so weitermachen wie bisher und mit Assad nicht reden", damit negiere man aber die Wirklichkeit und das helfe den Syrern nicht. Jeder Syrer vor Ort wolle Frieden und ein Fortkommen, das werde mit der bisherigen Politik nicht funktionieren, so Schallenberg. Die EU müsse sich überlegen, welche Sanktionen eher der Bevölkerung als dem Regime schaden würden, alles Weitere müsse dann Schritt für Schritt geplant werden.
"Situation kann sehr schnell kippen"
Außerdem nahm Schallenberg zur Lage im Nahen Osten Stellung, wo ein offener Krieg zwischen Israel und dem Libanon droht. "Israel hat natürlich das Recht, sich zu verteidigen", so der Außenminister, die Hoffnung jedoch sei, dass die Vergeltungsmaßnahmen nicht eskalieren. Alle sollten sich klar sein, dass man "mit Feuerzeugen neben Pulverfässern arbeitet", so Schallenberg. Entstehe ein Flächenbrand, sei er "vermutlich von keiner Seite mehr kontrollierbar".
Die Bilder des Tages
Schallenberg hoffe, da als EU mäßigend im Nahost-Konflikt einwirken zu können, bevor sich die Gewalt ausweite, es gebe Aufrufe in diese Richtung von allen internationalen Seiten. Dennoch befürchtete der Außenminister das Schlimmste – Schallenberg rief deshalb alle Österreicherinnen und Österreicher in der Region auf, die Nachrichten zu verfolgen und schnell auf Aufrufe, sollten sie kommen, zu reagieren. "Wir können nicht ausschließen, dass die Situation sehr schnell kippt", so Schallenberg.
Auf den Punkt gebracht
- Österreich und sieben weitere EU-Staaten fordern eine Annäherung an Syrien, um Abschiebungen von Migranten nach Syrien zu ermöglichen
- Der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg betont, dass die bisherige Politik der EU gegenüber Syrien nicht gut gealtert sei und dass es keine Lösung ohne Assad geben werde
- Er fordert ein Umdenken und warnt vor einer Eskalation im Nahen Osten