Empörte Reaktionen
"Gibt keine Gleichwertigkeit zwischen Israel und Hamas"
Am Montag wurden Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsident Netanyahu und Hamas-Vertreter beantragt. Das Vorgehen spaltet die westlichen Länder.
Wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und mutmaßlicher Kriegsverbrechen hat der Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) Haftbefehle gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu sowie gegen die Anführer der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas beantragt.
Chefankläger Karim Khan erklärte am Montag, er fordere Haftbefehl gegen Netanyahu und dessen Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen "Aushungerns", "gezielter Tötung" sowie "Vernichtung und/oder Mordes". Diese Verbrechen würden bis zum heutigen Zeitpunkt im Gaza-Krieg gemäß staatlicher Politik als Teil eines "ausgedehnten und systematischen Angriffs auf die palästinensische Zivilbevölkerung" begangen.
Benjamin Netanyahu
Netanyahu bezeichnete die Anträge des Chefanklägers Khan als absurd und warf der Anklage Antisemitismus vor. "Als Ministerpräsident Israels weise ich den Vergleich des Haager Staatsanwalts zwischen dem demokratischen Israel und den Massenmorden der Hamas mit Abscheu zurück", erklärte er. "Kein Druck und keine Entscheidung in irgendeinem internationalen Forum wird uns davon abhalten, diejenigen zu treffen, die uns zerstören wollen."
Hamas
Die militant-islamistische Hamas hat einen Antrag des Chefanklägers am Internationalen Strafgerichtshof auf Haftbefehle für mehrere ihrer Anführer verurteilt. Chefankläger Khan setze das Opfer mit dem Henker gleich, teilte die Hamas am Montag mit.
Die Organisation habe das Recht, sich der israelischen Besatzung zu widersetzen, und dazu gehöre auch der bewaffnete Widerstand. Die Hamas kritisierte, dass nur zwei Haftbefehle gegen israelische Politiker beantragt wurden.
Israel
In seltener Geschlossenheit haben Abgeordnete von Regierungsparteien und Opposition in der israelischen Knesset den Antrag auf Haftbefehle gegen Regierungschef Netanyahu und Verteidigungsminister Gallant verurteilt. Der Staat Israel befinde sich in einem gerechten Krieg gegen eine kriminelle Terrororganisation, hieß es in der am Montagabend von 106 der 120 Abgeordneten verabschiedeten Stellungnahme.
Der israelische Präsident Itzchak Herzog hat den Antrag auf Haftbefehl als "mehr als empörend" zurückgewiesen. Jeder Versuch, Parallelen zwischen den Terroristen der Hamas und der demokratisch gewählten Regierung Israels zu ziehen, könne nicht akzeptiert werden, sagte Herzog am Montag.
USA
US-Präsident Joe Biden hat am Montag den Antrag auf Haftbefehle als empörend bezeichnet. In einer scharf formulierten Mitteilung wies Biden die Anträge des Chefanklägers zurück.
"Was auch immer dieser Ankläger andeuten mag, es gibt keine Gleichwertigkeit – keine – zwischen Israel und der Hamas", sagte der US-Präsident. "Wir werden Israel gegen Bedrohungen seiner Sicherheit immer zur Seite stehen."
Österreich
Bundeskanzler Karl Nehammer kritisiert das unterschiedslose Vorgehen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Israel und die islamistische Hamas. Zwar sei die Unabhängigkeit des IStGH zu respektieren. Aber "dass die Anführer der Terrororganisation Hamas, deren erklärtes Ziel die Vernichtung des Staates Israels ist, in einem Atemzug genannt werden mit demokratisch gewählten Vertretern eben dieses Staates, ist nicht nachvollziehbar", schrieb Nehammer am Montag auf der Plattform X.
Österreich gehört zu den Ländern, die das Selbstverteidigungsrecht Israels im Gaza-Krieg besonders betonen.
Deutschland
Das gleichzeitige Vorgehen des Chefanklägers beim Internationalen Strafgerichtshof gegen die Hamas und gegen Israel hat nach Einschätzung des Auswärtigen Amts ein falsches Bild entstehen lassen. "Durch die gleichzeitige Beantragung der Haftbefehle gegen die Hamas-Führer auf der einen und die beiden israelischen Amtsträger auf der anderen Seite ist der unzutreffende Eindruck einer Gleichsetzung entstanden", sagte ein Außenamtssprecher am Pfingstmontag in Berlin. "Jedoch wird das Gericht nun sehr unterschiedliche Sachverhalte zu bewerten haben, die der Chefankläger in seinem Antrag ausführlich dargestellt hat."
Deutschland habe den Internationalen Strafgerichtshof immer unterstützt und respektiere seine Unabhängigkeit und seine Verfahrensabläufe wie die aller anderen internationalen Gerichte.
"Dazu gehört, dass die Vorverfahrenskammer nun erst einmal über die Anträge des Chefanklägers auf die Ausstellung von Haftbefehlen zu entscheiden hat. Das Gericht wird dabei eine Reihe schwieriger Fragen zu beantworten haben, einschließlich gerade auch der Frage seiner Zuständigkeit und der Komplementarität von Ermittlungen betroffener Rechtsstaaten, wie es Israel einer ist", sagte der Sprecher weiter.
Frankreich
Frankreich löste sich von seinen westlichen Verbündeten und drückte seine Unterstützung für den Internationalen Strafgerichtshof aus. Darüber berichtet CNN. "In Bezug auf Israel wird es Sache der Vorverfahrenskammer des Gerichts sein, zu entscheiden, ob diese Haftbefehle ausgestellt werden, nachdem sie die vom Staatsanwalt zur Untermauerung seiner Anschuldigungen vorgelegten Beweise geprüft hat", sagte das französische Außenministerium am Montag.
BILDSTRECKE: Erneute Farbattacke auf Israel-Konferenz in der Nähe von Wien
"Frankreich unterstützt den Internationalen Strafgerichtshof, seine Unabhängigkeit und den Kampf gegen Straflosigkeit in allen Situationen."
Schweiz
Eine Stellungnahme der Schweiz lag am Dienstagmorgen noch nicht vor. Eine Anfrage beim EDA ist noch offen.