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Gender-Sager von Genie – und woke Kreise rasten aus

Der Nobelpreisträger Kurt Wüthrich sieht sich einem Sturm der Aufregung durch woke Kreise ausgesetzt. Grund ist eine Bemerkung zum Gendern.

Der Wissenschafter Kurt Wüthrich sieht sich schwerer Kritik ausgesetzt.
Der Wissenschafter Kurt Wüthrich sieht sich schwerer Kritik ausgesetzt.
REUTERS

"Als Wissenschafter fühle ich mich diskriminiert, wenn ich hier bin": Dies sagte Kurt Wüthrich (84), seines Zeichens Biochemiker und Nobelpreisträger des Jahres 2002, im Rahmen einer Tagung von Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträgern in Lindau. Die Aussage bezog sich laut seiner späteren Erklärung auf seinen Eindruck, dass "an dieser Konferenz der Fokus dermaßen auf Diversität und Inklusion gelegt wird, dass die Gespräche über die Wissenschaft in den Hintergrund geraten". Dieser Satz flog ihm danach allerdings mächtig um die Ohren.

Wüthrichs Aussage begründete sich auf seiner Wahrnehmung, dass sich an der Tagung am Bodensee viele Veranstaltungen um das Thema Diversität gedreht hätten, wie er in einem Interview mit der "SonntagsZeitung" berichtet: "Auch die Zeitungen haben im Umfeld des Meetings fast nur noch über die Genderproblematik geschrieben statt über unsere Kernkompetenz, die Forschung." Rasch wurde der Eindruck erweckt, Wüthrich beziehe sich auf den gesamten Wissenschaftsbetrieb, was er klar von sich weist: Er habe nur an der Tagung Kritik geübt.

Beim Fototermin nach hinten verbannt

Als Beispiel für seine Aussage nannte er die Anekdote eines Fototermins, an dem die in Lindau anwesenden Nobelpreisträgerinnen auf Wunsch der Organisatoren auf Stühlen vor ihren viel zahlreicheren männlichen Kollegen hätten posieren sollen. Dies lehnten die Wissenschafterinnen ab, schließlich bildeten sie dann stehend die erste Reihe. "Wir verstanden uns als eine Gruppe von mit Nobelpreisen ausgezeichneten Forscherinnen und Forschern, die nun in zwei Untergruppen aufgespalten wurde", so Wüthrich. "Entsprechende geschlechtsbezogene Untergruppen wurden durch das Tagungsprogramm während der ganzen Woche gefördert." Dies sei keineswegs dramatisch gewesen, spiegle aber die am Meeting aufgebaute Atmosphäre wider.

Dabei, so Wüthrich, sei die Wissenschaft in Sachen Gleichberechtigung in den letzten Jahren weit vorangekommen. Er habe dieses Jahr fünf wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht – bei vier davon sei eine Frau als Erstautorin aufgeführt. Und von 60 Doktoranden hätten fünf von der ETH eine Silbermedaille bekommen, die höchste Auszeichnung, von vier Frauen seien es zwei gewesen – also 50 Prozent.

"Als wären die Frauen minderbemittelt"

Doch der Shitstorm war bereits angerichtet. Ein Video mit dem Ausschnitt seiner Aussage wurde millionenfach angeschaut und geteilt – und umgehend als unberechtigte, weinerliche Klage eines "alten weißen Mannes" ausgelegt. Dies, obwohl Wüthrich den Satz zuvor mit der Medizin-Nobelpreisträgerin von 1995, Christiane Nüsslein-Volhard, abgesprochen hatte. Diese hatte selbst in einem viel beachteten Interview postuliert, dass die Frauen heute eine "Problematisierung" des Wissenschaftsbetriebs aufgrund des Geschlechts nicht mehr nötig hätten – "als wären sie minderbemittelt und bräuchten extra Hilfe" – und sich die Diskussion um die Wissenschaft und nicht um Genderfragen drehen sollte. Eine Frauenquote sei nicht mehr zeitgemäß und könne zur Männerdiskriminierung führen.

Das nutzte Wüthrich – der im Nachhinein das Wort "Diskriminierung" bedauert – allerdings wenig. An der Tagung pochte etwa eine Studentin – die anonym bleiben wollte – darauf, "dass Frauen im Wissenschaftsbetrieb noch immer systematisch und strukturell diskriminiert würden" und sie sich angesichts von Aussagen wie der von Wüthrich zur Männerdiskriminierung "unwohl" fühle. Und auch auf Twitter und in anderen sozialen Medien reißt die Kritik nicht ab. Diese kommt laut der NZZ nicht nur von den "üblichen Twitter-Schreihälsen", sondern auch von Professorinnen und Professoren von Schweizer Hochschulen. "Man spielte auf den Mann bis hin zu Unterstellungen mit persönlichkeitsverletzendem Charakter", heißt es.

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