Ukraine

Geht es Russland trotz Sanktionen besser als Briten?

Briten leiden derzeit unter Engpässen bei Gemüse und Früchten, während es dem russischen Volk scheinbar an nichts fehlt – aber stimmt das überhaupt?

20 Minuten
Ein Moskauer Supermarkt kurz vor Silvester 2022: Die Gemüse- und Früchteregale sind prall gefüllt mit Frischwaren.
Ein Moskauer Supermarkt kurz vor Silvester 2022: Die Gemüse- und Früchteregale sind prall gefüllt mit Frischwaren.
IMAGO/ITAR-TASS

Russische Medien haben am Freitag einen Artikel aus Großbritannien mit riesiger Schadenfreude kommentiert. Die "Daily Mail" vergleicht in einem Bericht die Lebensqualität der Briten und Russen. Journalistin Sue Reid kommt dabei zum Schluss, dass es dem russischen Volk trotz der Sanktionen aus dem Westen wohl besser gehe: "Machen die Sanktionen den Menschen in Russland das Leben schwer?", fragt sich Reid und liefert die Antwort gleich selbst: "Während britische Supermärkte Eier, Früchte und Gemüse rationieren, sind die Regale in einer russischen Provinzstadt mit frischen Lebensmitteln gefüllt".

Bilder von leeren Gemüseregalen in britischen Supermärkten gingen vor einigen Wochen um die Welt. Aufgrund der Engpässe führten die großen Supermarktketten im Land sogar Verkaufsbeschränkungen für bestimmte Früchte und Gemüsesorten ein: So dürfen Kunden nur noch etwa drei Peperoni, drei Tomaten und drei Gurken auf einmal kaufen.

Was sich aktuell abspiele, sei eine Umkehrung der Situation in der Nachkriegszeit, "als viele von uns im Fernsehen mitleidige Aufnahmen von Russen unter dem kommunistischen Regime sahen, die für Grundnahrungsmittel wie Brot und Eier stundenlang anstehen mussten", heißt es im Artikel der Boulevardzeitung. Der Inhalt ist selbstverständlich ein gefundenes Fressen für russische Medien.

Russische Medien vergleichen Alltag in Russland und Rest-Europa

Hinter "schönen Formulierungen wie negatives Wachstum" verberge sich "eine verhüllte Alltagsrealität". Die Briten würden heutzutage "weniger essen, sich schlechter anziehen, weniger waschen und ihre Häuser weniger heizen", versichert die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti. Die Sanktionen zur Bestrafung von Präsident Wladimir Putin seien gescheitert. "Russen essen immer noch gut, kleiden sich gut, fahren Autos und leiden nicht unter der Kälte in ungeheizten Räumen."

"Die Russen leben (...) besser als die Briten und die große Mehrheit der Europäer", schreibt die russische Nachrichtenagentur weiter. Das Land sei reich an Ressourcen, verfüge über eine erfolgreiche Agrarindustrie, eine gebildete Bevölkerung, eine reiche Palette an Spitzentechnologien. Zum Schluss: "Jahrzehntelang wurden wir unterschätzt, während Großbritannien überschätzt wurde. Aber jetzt wurde klar, dass der britische König nackt ist."

Stimmt diese Einschätzung? Nicht ganz

Doch was ist dran an den Aussagen? Wirtschaftsexperte Michael Derrer bezeichnet beide Artikel als polemisch. "Wenn man mit den Sanktionen den schnellen Zerfall der russischen Wirtschaft erwartet hat, dann ist das nicht passiert", erklärt er gegenüber dem "Heute"-Partnerportal "20 Minuten". "Die Sanktionen werden dem Land jedoch auf lange Frist große Schäden zufügen, wenn Ersatzteile oder High-Tech-Produkte fehlen", meint der Experte.

Die Engpässe einiger Waren, die die Briten derzeit erleben, seien vorübergehend. "Das wird sich wieder einpendeln, und Großbritannien wird auch nach dem Brexit gut funktionieren", so der Wirtschaftsexperte der Hochschule Luzern weiter. Sowohl die "Daily Mail" als auch Ria würden eine Momentaufnahme verwenden, um die Sanktionen polemisch zu kommentieren.

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