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Geheim-Deal! Prigoschin muss Wagner-Rückzug ins Exil
Ganz Russland war in Aufruhr: die Wagner-Söldner marschierten auf Moskau zu, ein Putsch wurde befürchtet. Doch ein Geheim-Deal konnte alles abwenden.
Seit Freitagabend marschierte eine Truppenkolonne der Gruppe Wagner beinahe ungehindert Richtung Moskau. Die russische Armee, Nationalgarde und auch Zivilbehörden ließen die Straßen in die Hauptstadt aus dem Süden verbarrikadieren, es wurden Schützenstellungen eingerichtet! Selbst im Kreml wurde ein Putschversuch durch Söldner-Führer Jewgeni Prigoschin befürchtet.
Auf der ganzen Welt schrillten die Alarmglocken, Experten fürchteten, dass sich der Wagner-Aufstand in einen Bürgerkrieg ausweiten könnte. "Heute" berichtete LIVE.
Doch am Abend dann der Paukenschlag: der Aufstand wurde wie aus dem Nichts abgeblasen. Prigoschin ließ die Marschkolonne auf dem Weg nach Moskau rund 200 Kilometer vor der Stadt umdrehen und seine Söldner in ihre Stützpunkte zurückkehren.
Selbst aus der besetzten Stadt Rostow am Don zogen seine Kämpfer ab – offenbar unter großem Beifall aus der Bevölkerung. In Videos in den Sozialen Medien sind laute Dankesrufe zu hören:
Russische Nachrichtenagenturen verbreiteten daraufhin die Meldung, dass der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko in Absprache mit Putin mit dessen aufrührerischen "Koch" erfolgreich einen Geheim-Deal ausgehandelt hatte.
"Im Moment gibt es eine absolut vorteilhafte und akzeptable Option zur Lösung der Situation auf dem Tisch, mit Sicherheitsgarantien für die Wagner-Kämpfer", so die Agentur RIA. Prigoschin selbst behauptete später großherzig, er habe den Rückzug befohlen, um "Blutvergießen" zu vermeiden.
Putins Bauernopfer?
Doch was steht drin? Russischen Staatsmedien zufolge könnte es nun ein Köpferollen in der von Prigoschin so verhassten Militärführung geben. Demnach könnten sowohl der mittlerweile auch bei Putin in Ungnade gefallene Verteidigungsminister Sergei Schoigu und auch Generalsstabschef und Verantwortlicher für die schleppende Ukraine-Invasion Waleri Gerassimow vor der Ablöse stehen.
Eine Bedingung für die Umkehr der Aufständischen war laut russischen Telegram-Kanälen, dass der amtierende Verteidigungsminister und erklärter Erzfeind von Prigoschin seinen Posten verlieren soll.
Beide sind seit Monaten Zielscheibe des Wagner-Hasses, es hatte regelrechten Streit zwischen der Armee und den Söldnern gegeben – zuletzt sollen Kreml-Truppen auch noch Prigoschins Kämpfer bombardiert haben. Letzterer hatte die Armeeführung in der Vergangenheit offen als korrupte Landesverräter beschimpft. Zusätzlich soll der Geheim-Deal Sicherheitsgarantien für alle Wagner-Söldner und wohl auch rechtliche Immunität für ihren Anführer selbst beinhalten. Die Staatsduma solle in den kommenden Tagen entsprechende Entscheidungen treffen.
"Selbst mit diesen zwei Bauernopfern sieht Putin jetzt schwach aus. Er wird diese Schmach nicht abschütteln können. Prigoschin ist der neue starke Mann in Russland und möglicherweise sein Nachfolger", kommentiert der deutsche Militärökonom Marcus Keupp die kolportierten Inhalte des Geheim-Deals. Doch nicht alle Experten sehen Prigoschin in einer so günstigen Position.
Wer am Ende dieses komplett verrückten Machtspiels wirklich gewonnen hat, ist derzeit noch völlig unklar. Fix ist aber, wer die größte Verlierer ist: Kreml-Despot Wladimir Putin selbst. Sein Images des "starken Mannes", der das gesamte Land unter seiner Kontrolle hat, ist durch dieses Wagner-Intermezzo gehörig beschädigt worden. Doch auch Prigoschin hat seine eigene Zukunft aber möglicherweise auch sein Leben aufs Spiel gesetzt – und sich vielleicht völlig verkalkuliert.
Prigoschins Leben in Gefahr
"Prigoschin hat Putin und den Staat gedemütigt und gezeigt, dass es nicht länger ein Gewalt-Monopol [in Russland] gibt", kommentiert Mychajlo Podoljak (51), ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski. Er selbst sieht den Wagner-Kommandanten selbst nun gefährdet und den mutmaßlichen Geheim-Deal als Farce an.
Die durch Alexander Lukaschenko angeblich im Namen Putins versprochenen Sicherheitsgarantien sind für den Ukrainer das Papier nicht wert, auf das sie möglicherweise niedergeschrieben wurden.
Der Kreml-Despot hätte noch am Morgen versprochen, Prigoschin zerstören zu wollen. "Aus der Angst heraus, die Putins Elite in den letzten 24 Stunden erlebt hat, wird dieser Befehl sicherlich ausgeführt."
"Putin ist niemand, der vergibt"
Auch für BBC-Sicherheitskorrespondent Frank Gardner ist klar: der von Lukaschenko ausgehandelte Deal ist für Putin "null und nichtig". Prigoschin habe sich ihm zufolge verschätzt und darauf spekuliert, dass sich die Bevölkerung hinter seinem aufständischen Banner gegen den Kreml versammeln würde – doch das ist nicht passiert.
Auch der BBC-Korrespondent sieht eine extreme Schmach für den Kreml und Putin "ist niemand, der so etwas vergeben kann", sagt Gardner weiter: "Prigoschins militärische und politische Zukunft ist damit sicherlich vorbei."
Prigoschin geht ins Exil
Update 21.50 Uhr: Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bestätigte Samstagnacht, dass das wegen Anzettelung eines Aufstands eingeleitete Strafverfahren gegen Prigoschin eingestellt wird. Dieser werde dafür "nach Belarus abreisen". Exil also!
In Rostow wurde der Söldner-Führer mit Applaus und lautem Jubel verabschiedet:
"Was die übrigen Kämpfer [die an der Rebellion teilgenommen haben] betrifft, wird niemand sie verfolgen, wenn man ihre Verdienste an der Front berücksichtigt", sagte Peskow weiter. Kämpfer, die nicht an der Meuterei beteiligt gewesen sind, sollen dem Verteidigungsministerium unterstellt werden.
Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums sind ihm zufolge nicht Gegenstand der Verhandlungen gewesen.