Wien

"Schlag ins Gesicht" – neue Regelung erzürnt Tourguides

Ab 1. Jänner ändern die Friedhöfe Wien ihre Regelungen für Führungen. Fremdenführer kritisieren das Vorgehen scharf, starten nun eine Petition.

Yvonne Mresch
Fremdenführer Wolfgang Horak (64) versteht die Welt nicht mehr: Für Führungen am Friedhof soll er ab Jänner tiefer in die Tasche greifen.
Fremdenführer Wolfgang Horak (64) versteht die Welt nicht mehr: Für Führungen am Friedhof soll er ab Jänner tiefer in die Tasche greifen.
Denise Auer

"Das ist wie eine Ohrfeige, ich bin enttäuscht", sagt Wolfgang Horak. Seit zehn Jahren arbeitet der Wiener selbstständig als Fremdenführer, leitet auch Ausbildungen in der Branche. Leicht hätte es diese generell nicht: "Nach der Pandemie haben wir ein Viertel der Gäste verloren, uns fehlen etwa Touristen aus China oder Amerika. Wir kämpfen um jede Tour." Von den ohnehin nicht üppigen Einnahmen bliebe nach Steuern und Abgaben nur wenig übrig. "Viele Kollegen haben Ängste und wissen nicht wie es weiter geht."

70 Euro für "Akkreditierung"

Nun reduziere man den "kargen Verdienst" noch weiter, ärgert sich Horak. Die Rede ist von einer neuen Regelung der Friedhöfe Wien. Ab 1. Jänner starte man eine "Qualitätsoffensive" auf 46 Friedhöfen, heißt es in einem Schreiben. Künftig benötigt jeder Fremdenführer für Touren am Friedhof eine Akkreditierung, diese kostet 70 Euro.

Drei Euro pro Gast

Pro Besucher verlangen die Friedhöfe Wien zudem künftig drei Euro. Außerdem müssen Touren ab Jänner zwei Tage im Vorhinein angemeldet werden. Horak und seine Kollegen sind erbost: "Das ist eine Frechheit und ein Schlag ins Gesicht. Es bedeutet eine Verschlechterung für uns Fremdenführer, aber auch für die Gäste." Es gäbe zu viele Fragen, so der Experte: "Was passiert mit dem Geld? Bei drei Euro pro Gast kommen große Summen zusammen. Wer führt diese Akkreditierung durch? Ich traue mich zu sagen, mit meiner Erfahrung mehr Wissen gesammelt zu haben als so manch einer, der am Friedhof tätig ist. Was ist mit spontanen Touren? Dieser Verdienst entgeht uns."

"Wird Wien bald zu Venedig?"

Nach dem Gleichheitsgrundsatz müsse eigentlich jeder zahlen, der gewerblich am Friedhof unterwegs ist, fordert Horak – auch die Fiakerfahrer. "Ich frage mich, wohin führt das? Muss man künftig bezahlen, wenn man am Graben spaziert oder mit dem Bus über die Ringstraße fährt? Endet das in einem Szenario wie in Venedig, wo man Eintritt zahlen muss?", klagt der 64-jährige. Das Argument der Friedhofs-Erhaltung verstehe er nicht: "Immer mehr Grabmäler werden abgerissen, verschrottet und aufgelöst. Wenn wir Führungen abhalten, machen wir doch nichts kaputt!"

Die Rechnung an die Gäste weiterzugeben kommt für Horak übrigens nicht in Frage: "Warum sollten sie zahlen, wenn sie auch mit Audioguide gratis auf den Friedhof gehen könnten?" Ohne Gewerbeberechtigung sei niemand unterwegs, betont er außerdem: "Wir sind ein gebundenes Gewerbe." Horak ist enttäuscht von der Wirtschaftskammer, die das Vorhaben unterstützt. "Ich schäme mich, ein Mitglied zu sein."

Friedhöfe wollen gegen "mangelhafte" Führungen vorgehen

Auf "Heute"-Anfrage erklären die Friedhöfe Wien: "In den vergangenen Jahren haben touristische Führungen stark zugenommen. Zudem werden immer mehr dieser Führungen von Menschen ohne Gewerbeschein durchgeführt. Sowohl die Wirtschaftskammer als auch das Marktamt haben darauf hingewiesen, dass hier mehr Kontrollen durchzuführen sind." Die Qualität einzelner Führungen sei mangelhaft, auch falsche Informationen würden weitergegeben. Mit Hilfe der Akkreditierung wolle man Kontrollen ermöglichen. Alle akkreditierten Fremdenführer würden auf der Homepage der Friedhöfe Wien gelistet und sind an einem Ausweis zu erkennen. Kleine Führungen dürften auch spontan stattfinden. 

Auch bei der Wirtschaftskammer betont man die "Qualitätssicherung": "Ich bin wirklich überrascht über diese Reaktion, weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir hier etwas Gutes in die Wege leiten", so Fachgruppenobfrau Gerti Schmidt, die von einem "zusätzlichen Schub für den Beruf", spricht. "Ich bin immer wieder konfrontiert mit Kollegen, die sagen, es gibt so viel Pfusch, so viele unbefugte Führungen." Auch in Museen sei eine Akkreditierung Gang und Gäbe, außerdem nicht gratis. Drei Euro sei ein "geringer Betrag", mit dem sichergestellt werden könne, dass die Friedhöfe für Gäste schön sind. Außerdem: "Es ist eine Möglichkeit, die Führungen auszubauen."

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