Im steirischen Landtag wurde der aktuelle Bericht der Volksanwaltschaft behandelt, der schockierende Fälle aufdeckt. Einer davon dreht sich um ein Thema, das schon lange für Kritik sorgt: die Arbeitsverhältnisse von Menschen mit Behinderungen. Eine Frau hatte etwa ein Gesamteinkommen von nur 279 Euro, musste sich aber um 114 Euro im Monat selbst versichern, weil ihre Tätigkeit offiziell nicht als Arbeit gilt.
Im Rahmen der Behindertenhilfe erhielt sie "Trainingswohnen für Menschen mit Behinderung" und "Teilhabe an Beschäftigung in der Arbeitswelt", wodurch sie in einer entsprechenden Einrichtung arbeiten konnte. Neben 165 Euro Familienbeihilfe und 58 Euro Kinderabsetzbetrag erhielt sie für ihre Arbeit 56 Euro im Monat, macht insgesamt ein Einkommen von 279 Euro.
Weil sie Leistungen aus der Behindertenhilfe bezog und knapp über dem steirischen Richtsatz lag, war sie von anderen Zuwendungen ausgeschlossen – und musste sich um 114 Euro im Monat selbst krankenversichern. Paradoxerweise wäre sie kostenlos versichert gewesen, wenn sie nicht gearbeitet hätte. Behörden hätten ihr deshalb auch geraten, einfach zu Hause zu bleiben und nichts zu tun.
"Das steht klar im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), zu deren Umsetzung sich Österreich verpflichtet hat. Menschen mit Behinderung haben das Recht auf ein möglichst selbstbestimmtes Leben, und dazu gehört natürlich auch, dass sie einer Arbeit nachgehen können", poltert Volksanwalt Bernhard Achitz.
Dieser Fall zeige auch, wie dringend Lohn statt Taschengeld für Menschen mit Behinderung wäre. "Auch die volle Einbeziehung in die Sozialversicherung ist überfällig, damit sie krankenversichert sind – und im Alter einmal eine Pension bekommen", so Volksanwalt Achitz.
Schon 2019 machte die Volksanwaltschaft in einem Sonderbericht darauf aufmerksam. "Seitdem gab es viele Diskussionen und verbale Unterstützung, auch einige Pilotprojekte laufen, aber immer noch werden Beschäftigte in sogenannten 'Behindertenwerkstätten' mit einem Taschengeld abgespeist, und sie haben keine Chance, sich eine eigenständige Alterssicherung aufzubauen, weil sie nicht pensionsversichert sind."
Die Volksanwaltschaft richtete in ihrem Sonderbericht folgende Empfehlungen an die Bundesregierung und an alle Landesregierungen:
– Die Einteilung von Menschen mit Behinderung in arbeitsfähige und nicht arbeitsfähige (unter 50 Prozent Arbeitsfähigkeit) abzuschaffen;
– Eine eigene, auf ihre Tätigkeit bezogene, sozialversicherungsrechtliche Absicherung für Menschen, die in Beschäftigungstherapiewerkstätten arbeiten, zu schaffen;
– Neue Modelle der Entlohnung anstelle des bisherigen "Taschengeldsystems" zu prüfen.