Wien
Frau, Kinder, Nörgelei: So privat ist Blümels Wien-Rede
Weder Rück-, noch Seitentritt: Wiens ÖVP-Chef will "mit meiner ganzen Kraft" weiterarbeiten. "Heute" hat die Highlights seiner Rede.
Hausdurchsuchungen in seinem Ministerium und auch in der Privat-Wohnung – inklusive Laptop auf Spaziergang. Unangenehme Befragungen vorm U-Ausschuss zur Ibiza-Affäre mit heftigen Erinnerungslücken. Beschuldigtenstatus in den Ermittlungen zu Casinos Austria und Novomatic. Die vergangenen Monate und Jahre im beruflichen Leben von Finanzminister und ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel hatten es in sich. Privat wurde der bald 40-Jährige studierte Philosoph so quasi zwischendurch auch noch Vater von zwei Kindern. Von der jüngsten heftigen Erschütterung in Blümels Polit-Familie durch den "Seitentritt" von Bundeskanzler Sebastian Kurz ganz zu schweigen.
Allen Widrigkeiten und – laut ÖVP von der SPÖ gestreuten – Rücktrittsgerüchten zum Trotz, hielt Gernot Blümel in seiner Funktion als Wiens ÖVP-Chef am Mittwoch um 17 Uhr eine Wien-Rede im Festsaal des Schottenstifts. Als "Anheizer" fungierte Alt-Kanzler und Alt-Parteichef Wolfgang Schüssel. Der Termin ist nicht zufällig, der Auftritt findet genau ein Jahr nach der Verkündung des endgültigen Endergebnisses der Wien-Wahl 2020 statt, bei der Blümel die am Boden liegende ÖVP in türkise Höhen von 20,43 Prozent (+ 11,19 Prozent) führte.
Das sagte Blümel bei seiner "Wien-Rede" zu:
Wien-Liebe
"Wien ist eine großartige Stadt. Wien ist meine Heimat. Und ich liebe meine Heimat. Auch wenn ich nicht mit allem zufrieden bin, was in dieser Stadt passiert. Es wirkt auf den ersten Blick vielleicht wie ein Widerspruch, diese Stadt zu lieben und dennoch nicht zufrieden zu sein." … "Wenn ich unzufrieden bin, dann nur deshalb, weil ich das Beste für diese Stadt will.
Unzufriedenheit
"Und wenn unsere Kinder daheim nörgeln und scheinbar grundlos quengelig sind, mein meine Frau manchmal: die kannst nicht abstreiten. Ein bissl was dürfte also schon dran sein. Unzufriedenheit ist aber per se nichts Schlechtes. Sondern ich sehe Unzufriedenheit als Gegensatz zu Selbstzufriedenheit." … "Der Fortschritt in Wien hat aber viel zu oft einen Gegner. Und das ist die Rote Selbstzufriedenheit."
"Warum tust du dir das an?"
",Warum tust du dir das an?’ haben viele gefragt als ich die ÖVP Wien Ende 2015 übernommen habe. Viele haben das nasenrümpfend gefragt, denn die Wiener ÖVP hat innerhalb der ÖVP Familie nicht gerade den besten Ruf gehabt. Die ÖVP Wien war damals mit einem Ergebnis von 9 Prozent auch nicht gerade am absoluten Höhepunkt ihres Selbstbewusstseins."
20 Prozent und unterste Schubladen
"Manche haben mich nur milde belächelt, die meisten aber haben mir sehr eindrücklich geraten, keine solchen, völlig übertriebenen Erwartungen mehr zu wecken, die wir niemals erfüllen können. ,Das kann sich nie ausgehen’ war noch einer der nettesten Kommentare, ,Leg dir die Latte nicht selbst viel zu hoch’ ein gut gemeinter Ratschlag von sehr vielen und ,Du machst dich ja selbst hinig’. … "Es ist nicht immer nur bergauf gegangen – ganz im Gegenteil waren da auch einige tiefe Täler dabei. Von bewusst verbreiteten Unwahrheiten, über gefälschte Mails bis zur geeinten Allianz aller anderen gegen uns.". … "Im Wien-Wahlkampf war es dann beinahe so als wäre die ÖVP Wien jene Partei, die ganz vorne steht und die alle bekämpfen wollen. Denn die Devise war völlig klar: Alle gegen uns. Und das mit allen Mitteln und aus den untersten Schubladen."
Innenpolitischer Umgang
"Wir kennen derart gehässige und untergriffig geführte Debatten eigentlich eher aus den USA, Groß Britannien, oder Frankreich. Und ich halte das in jedem Land, in jeder Demokratie für nicht förderlich. Besonders tragisch ist diese Entwicklung aber für das österreichische demokratische Ganze." … "Aber am Ende des Tages geht es darum,
gemeinsam zu gestalten und sich nicht gegenseitig zu vernichten. Diese Grundvoraussetzung der österreichischen Demokratie haben manche auf Bundesebene im letzten Jahr hinter sich gelassen. Denn es geht ihnen offensichtlich nur noch darum, den anderen zu vernichten."
Pandemie
"Unser gemeinsamer Feind ist das Virus. Es muss der Anspruch der gesamten Politik sein, Vertrauen zu schaffen
und gemeinsam aus dieser Pandemie heraus zu kommen." … "In solchen Fragen braucht es keinen Wettbewerb. Sondern ein gemeinsames Bekenntnis aller Parteien."
Brauche keinen Kasperl als Politiker
"Ich wollte immer von Politikern regiert werden, von denen ich glaube, dass sie die Fähigkeit, den Willen und die Kraft haben, die Probleme in Stadt und Land zu erkennen und zu lösen. Mir war immer egal, ob die Person nahbar ist, oder Schmäh hat. Ich brauche keinen Kasperl als Politiker und keine Home Stories."
Zwei gesunde Kinder
"In wenigen Tagen werde ich 40 Jahre alt. Vor wenigen Tagen wurde ich zum zweiten Mal Vater und habe zwei gesunde Kinder. Dafür bin ich unendlich dankbar. Denn beides ist nicht selbstverständlich. Daher bin ich heute bestärkter als je zuvor, das zu tun, was aus meiner Sicht richtig und notwendig ist. Nicht was vielleicht angenehmer oder populärer ist. Ich arbeite dafür mit meiner ganzen Kraft. Und sehr gerne. So bin ich. Und so bleibe ich."