Ladehemmung
Frankreich-Rätsel: Ohne Tor aus dem Spiel im Halbfinale
Frankreich steht im EM-Halbfinale – doch die offensiv harmlosen Auftritte des Turnier-Favoriten rund um Kylian Mbappe geben Rätsel auf.
Kylian Mbappe war in Jubelstimmung. Frankreichs Superstürmer hüpfte, wirbelte mit den Armen und tanzte ausgelassen zum wummernden Hit "Freed from desire". Doch bei der nächtlichen Aufstiegs-Party im Hamburger Volksparkstadion drehte nach dem glücklichen Sieg im Elfmeterdrama gegen Portugal (5:3) nicht bloß Mbappe mächtig auf.
In den emotionalen Minuten nach dem Schlusspfiff entlud sich bei den französischen Stars eine Energie, die sie in den 120 Minuten zuvor weitgehend schuldig geblieben waren. Für die Grande Nation steht fest: Zünden Mbappe und Co. im Halbfinale gegen Deutschland-Bezwinger Spanien nicht endlich den EM-Turbo, platzt der Traum vom dritten Europameistertitel ganz schnell.
Mbappe: "Glücklich"
"Das Wichtigste ist, dass wir gewinnen", sagte Frankreichs Kapitän. Die Kritik an den dürftigen EM-Auftritten? Egal. Die französische Ladehemmung? Nicht der Rede wert. Die eigene Torflaute? Zweitrangig. Ja, er habe im bisherigen Turnierverlauf bislang nur ein Tor geschossen, "aber wir sind im Halbfinale und ich bin sehr glücklich darüber", sagte Mbappe.
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Man mag es minimalistisch und effizient nennen. Doch die uninspirierten Vorstellungen gepaart mit einer rekordverdächtigen Offensivschwäche geben Rätsel auf. Nur drei Treffer in fünf Turnierspielen, von denen zwei auch noch Eigentore waren, sind eine miserable Quote für einen Halbfinalisten. Nur ein Elfmeter-Tor gelang Mbappe beim 1:1 gegen Polen in der Gruppenphase. Außerdem trafen ÖFB-Verteidiger Maxi Wöber beim 1:0-Erfolg gegen die Elf von Ralf Rangnick und Jan Vertonghen beim 1:0-Sieg im Achtelfinale gegen Belgien ins eigene Tor. Frankreich hat keinen Treffer aus dem Spiel erzielt.
Deschamps verteidigt seinen Star
Nationaltrainer Didier Deschamps aber ließ jegliche Kritik an sich und seinem Team abprallen. "Ich bin stolz auf meine Spieler, auch wenn wir nicht alles perfekt machen", sagte er – und zumindest der Erfolg gibt ihm recht: Frankreich steht beim fünften großen Turnier nacheinander zum vierten Mal in der Runde der letzten Vier. Zudem gewannen Les Bleus am Freitagabend erstmals seit 26 Jahren wieder ein Elfmeterschießen.
Und so verließ Mbappe Hamburg mit einem breiten Grinsen – und viel Vorfreude auf den Kracher am Dienstag (21.00 Uhr) in München. Für ihn persönlich, den hoch dekorierten Weltmeister von 2018 und Vize-Champion von 2022, wird die Partie gegen Spanien das erste EM-Halbfinale sein. "Natürlich hoffe ich, dass ich dem Team dann wieder helfen kann", sagte Mbappe. Aber: Der 25-Jährige scheint durch den Nasenbeinbruch, den er sich im Auftaktspiel gegen Österreich zugezogen hatte, noch immer arg gehandicapt. Gegen Portugal ließ sich Mbappe kurz vor dem finalen Shootout gar auswechseln, verfolgte den Rest des Spiels mit dickem Eisbeutel auf der lädierten Nase.
"Ich habe mich nicht mehr gut gefühlt, ich war zu müde", begründete Mbappe den ungewöhnlichen Schritt. Deschamps nahm seinen Star-Angreifer in Schutz. "Er weiß, dass er nicht in Bestform ist", sagte der Trainer, sprach auch von Rückenproblemen und erklärte: "Kylian ist mir und dem Team gegenüber immer sehr ehrlich, und es kam zu dem Punkt, an dem er sich nicht mehr in der Lage fühlte, Gas zu geben."
Bis Dienstag sollten die Akkus wieder voll sein.
Auf den Punkt gebracht
- Frankreich steht im EM-Halbfinale, aber die offensiv schwachen Leistungen von Kylian Mbappe und dem Team werfen Fragen auf
- Trotz der Kritik und der mangelnden Torausbeute zeigt sich Mbappe glücklich über den Halbfinaleinzug
- Trainer Didier Deschamps verteidigt das Team und bleibt optimistisch für das bevorstehende Spiel gegen Spanien, obwohl Mbappe durch eine Verletzung beeinträchtigt zu sein scheint