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Flüchtlingsdrama: Frauen und Kinder hatten keine Chance
Bei dem schweren Bootsunglück vor Griechenland kamen mindestens 79 Menschen ums Leben. Frauen und Kinder hatten beim schnellen Sinken keine Chance.
Um die 500 bis 750 Menschen aus Syrien, Pakistan, Afghanistan und Ägypten saßen im bis zu 30 Meter langen Fischerboot, das sich im Mittelmeer auf dem Weg von Tobruk in Libyen nach Italien befand. Gerettet wurden bisher 104 Menschen – ausschließlich Männer. Frauen, darunter viele Schwangere, und um die 100 Kinder sollen sich im Laderaum aufgehalten und beim schnellen Sinken des Bootes keine Chance gehabt haben, sich nach draußen zu retten, erzählen die Überlebenden.
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"An Deck des Schiffes waren die Menschen zusammengepfercht, das Gleiche vermuten wir auch für den Innenraum", sagte ein Sprecher der Küstenwache dem Staatssender ERT. Die griechische Staatspräsidentin Ekaterini Sakellaropoulou, die am Vormittag in die Hafenstadt Kalamata zu den Rettungsarbeiten gereist war, sagte: "Wir werden wohl nie erfahren, wie viele Menschen wirklich an Bord waren."
Die Chronologie der Tragödie:
13. Juni gegen 11 Uhr - Der erste Alarm
Nach dem Anruf einer NGO melden italienische Behörden, dass sich ein Fischkutter mit einer grossen Anzahl von Migranten in internationalen Gewässern südwestlich des Peloponnes befindet.
13. Juni gegen 13.50 Uhr
Die griechische Küstenwache schickt einen Helikopter von Mytilini los, der das Fischerboot um 15.35 Uhr sichtet. Die Piloten melden, dass das völlig überladene Schiff auf gleichmässigem Kurs fährt.
13. Juni gegen 18 Uhr
Ein zweiter Helikopter überfliegt die Stelle, in der sich das Schiff befindet. Der Kutter fährt immer noch mit konstantem Kurs und konstanter Geschwindigkeit.
13. Juni gegen 18.30 Uhr
Die italienische Behörde kontaktiert das Boot per Satellitentelefon. Die Person an Bord erklärt auf Englisch, dass sich das Boot nicht in Gefahr befinde, aber man Nahrung und Trinkwasser brauche. Die Behörde mit Sitz in Rom entsandte ein Schiff unter maltesischer Flagge, das den Kutter nach dessen Anhalten mit Lebensmittel und Wasser versorgt.
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13. Juni, 21 Uhr
Ein griechisches Schiff wird zum Fischkutter entsandt, um zusätzliche Lebensmittelvorräte bereitzustellen und sonstige Hilfe zu leisten. Die Menschen auf dem Kutter nehmen das Wasser an, die Lebensmittel werden ins Meer geworfen.
Das griechische Schifffahrtsministerium steht in ständiger Kommunikation mit dem Kutter per Funk. Bei jedem Kontakt wiederholen die Menschen auf dem Schiff, dass sie nach Italien fahren und keine Hilfe aus Griechenland wollen.
14. Juni, 1.40 Uhr
Der Fischkutter informiert die griechische Einsatzzentrale, dass der Motor ausgefallen sei und sich das Schiff nicht mehr bewege.
14. Juni, 2.04 Uhr
Der Kapitän des Kutters teilt der Einsatzzentrale mit, dass das Schiff zweimal auf die Seite gekippt sei. Die Bewegungen seien dermaßen stark gewesen, dass das Schiff gekentert sei.
14. Juni, 2.30 Uhr
Das Schiff ist gesunken, die Rettungsaktion angelaufen. Die Überlebenden werden in Spitälern nach Tripolis, Kalamata, Kyparissia und Sparta geflogen. Die Behörden bestätigen, dass das Unglück nicht am Wetter gelegen habe. Das sei verhältnismäßig ruhig gewesen, hieß es. Als Ursache des Unglücks vermutet die Küstenwache eine Panik an Bord.
Für die Frauen und Kinder, die sich laut Berichten unter Deck aufgehalten haben, besteht wohl keine Chance, noch gerettet zu werden. Die Unglücksstelle liegt nahe der tiefsten Stelle im Mittelmeer, dem sogenannten Calypsotief, das rund fünf Kilometer bis zum Meeresboden reicht. Eine Bergung des Wracks dürfte damit so gut wie ausgeschlossen sein.