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"Extremismus" – Putin-Kritiker in Moskau festgenommen
Igor Girkin leitete 2014 noch den von Russland gesteuerten Aufstand im Donbas. Zuletzt übte er scharfe Kritik, die ihm jetzt zum Verhängnis wurde.
Der ehemalige Geheimdienstoffizier und Ultranationalist leitete den Separatisten-Aufstand, der gleichzeitig mit der Annexion der Krim über die Bühne ging. Seit längerem liegt gegen den Mann ein internationaler Haftbefehl vor – gesucht wird er wegen seiner Beteiligung am Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 im Jahr 2014 über dem Donbas. Allem Anschein nach dürfte dieser Haftbefehl mittlerweile hinfällig sein.
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Seiner Ehefrau zufolge ist Girkin, bekannt unter dem Pseudonym Igor Strelkow, in Moskau festgenommen worden. Miroslawa Reginskaja erklärte am Donnerstag auf seinem Telegram-Kanal, er sei vor dem Hintergrund des Vorwurfs von Extremismus verhaftet worden. Beamte des Ermittlungskomitees hätten ihn demnach abgeführt. Wo er sich aktuell aufhalte, sei unklar.
Putin hat genug
Der ehemalige Separatisten-Führer ist wider Erwarten kein Gegner des russischen Angriffskriegs in der Ukraine – er befürwortet die russische Invasion. Seine Kritik bezog sich viel mehr auf die konkrete Kriegsführung des Kremls. Mehrmals warf er der militärischen Führung in Moskau Inkompetenz und Korruption vor. Für ihn agiert das russische Militär nicht hart und rücksichtslos genug.
Anfangs entlud sich seine Kritik hauptsächlich an Generalstabschef Waleri Gerassimow und Verteidigungsminister Sergei Schoigu. Doch zuletzt mehrten sich die Vorwürfe an höchste Stelle. Er warf Wladimir Putin immer wieder Untätigkeit vor – bis es dem Kreml-Chef nun offenbar reichte.
Girkin vs Prigoschin
Angaben des russischen Internetportals RBK zufolge gab es zudem eine Hausdurchsuchung bei Girkin. Die Klage eines früheren Wagner-Söldners sei der Festnahme vorausgegangen, wie es im Bericht weiters heißt. Seit Monaten schwelte ein offener Konflikt zwischen Girkin und dem Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin.
Girkin hatte bereits im Vorhinein vor einem möglichen Putsch Prigoschins gewarnt. Nach dem Kurz-Aufstand des Söldner-Chefs warf ihm Girkin Hochverrat vor. Auch Putin sprach am Tag des Aufstandes und des Marsches von Wagner-Truppen gen Moskau von "Verrat". Wenig später wurde die Situation am Verhandlungstisch jedoch deeskaliert: der Kreml-Chef sprach allen Beteiligten im Falle eines Rückzuges Straffreiheit zu.