Wirtschaft

Experte will kalte Progression plötzlich wieder starten

Die neue Sommerkonjunktur-Prognose verheißt nichts Gutes für Österreich. Hoge Inflation, wenig Wirtschaftswachstum – ein Experte ordnet das ein.

Rene Findenig
Der designierte Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, in der ORF-"ZIB2".
Der designierte Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, in der ORF-"ZIB2".
Screenshot ORF

Mit der Sommerkonjunktur-Prognose des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO und Instituts für Höhere Studien IHS kommen auf Österreich schwierige Zeiten zu. Gerechnet wird mit einer weiterhin hohen Inflationsrate von 7,5 Prozent, während das Wirtschaftswachstum mit 0,3 oder 0,5 Prozent gerade einmal minimal ausfällt. Nicht genug der schlechten Aussichten: Auf dem Arbeitsmarkt lässt die Konjunkturflaute die Arbeitslosigkeit auf 6,4 Prozent steigen. Zumindest bei den Reallöhnen soll es mit 3,3 Prozent etwas weiter nach oben gehen.

Der designierte Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, ordnete diese Prognosen am späten Mittwochabend in der ORF-"ZIB2" bei Moderator Armin Wolf ein. Die prognostizierte Situation habe den "Charakter einer Stagflation", so der Experte, die Frage sei, wie lange diese anhalten werde. Die Prognosen würden aktuell zeigen, dass man im Jahr 2024 "aus der Delle" herauskommen könne, das sei aber noch sehr unsicher. Vor allem die Inflation sei ein starker, belastender Faktor, so Bonin. Den Vorstoß von Arbeitsminister Martin Kocher, bei Gering- beziehungsweise Dazuverdienern genauer hinschauen zu wollen, sei wohl nur ein "Tropfen auf den heißen Stein", so der Experte.

Man dürfe den Arbeitsmarkt nicht spalten, indem man eine spezifische Form der Tätigkeit bevorzuge, so Bonin. Die Kritik des Ministers, dass die hohen Lohnabschlüsse die Inflation weiter anheizen würden, konnte Bonin dagegen teilweise nachvollziehen. Es gebe eine Studie dazu, die allerdings in einem Niedriginflationsumfeld entstanden sei. Es sei "ein großes Risiko", das die Arbeitgeber bei den Lohnabschlüssen berücksichtigen sollten, so der Experte. Helfen würden Lohnabschlüsse auf längere Zeit als ein Jahr – Unsicherheiten würden dadurch eingepreist, die Lohnerhöhungen würden tendenziell sogar höher ausfallen und die Arbeitgeber hätten mehr Planungssicherheit.

Überraschend in Österreich seien die vielen Indexierungen, etwa bei den Mieten – Anpassungen an die Inflation könnte man da über einen längeren Zeitraum strecken, so Bonin. Ein Aussetzen der Umsatzsteuer auf Lebensmittel lehne der Experte ab: Österreich sei "nicht gerade sehr stark, was die Wettbewerbsfähigkeit im Handel" angehe. Möglich sei, dass diese Maßnahme gar nicht bei den Betroffenen ankomme und nur viel Geld koste, hieß es. Überraschend könne sich Bonin dagegen vorstellen, die erst kürzlich abgeschaffte "kalte Progression" zumindest temporär wieder einzuführen. Geld sei zuvor mit der Gießkanne verteilt worden, so der Experte, mit dieser Maßnahme würde man Besserverdiener zur Krisenbewältigung mit ihrem Geld beitragen lassen. Und: über eine Erbschaftssteuer könne man nachdenken – aber die Einnahmen sollten wegen der sehr hohen Steuern an Arbeiter zurückgegeben werden. Das würde außerdem Anreize zum Arbeiten schaffen.

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    <strong>Jahresinflation nach Bereichen:</strong>&nbsp;Preisentwicklung zum Vorjahr 2021 und 2022.
    Jahresinflation nach Bereichen: Preisentwicklung zum Vorjahr 2021 und 2022.
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