Welt
EU trifft Hammer-Urteil bei Gentechnik-Pflanzen
Mit Spannung wurde ein Urteil zu Gentechnik vom Europäischen Gerichtshof erwartet. Wie es ausfiel, überrascht die Beobachter.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hatte sich durch ein Verfahren gearbeitet, das für den Durchschnittsbürger wohl schwer verständlich ist. Im Kern wurde darüber beraten, wie mit neuen Verfahren wie der sogenannten "Genschere" CRISPR/Cas9 umgegangen wird.
Die Methode lässt einfacher, genauer und vor allem billiger als bisher das Erbgut von Lebewesen verändern. Sie fügt kein gentechnisch verändertes Erbgut hinzu, sondern schaltet vorhandene unerwünschte Gene in den Produkten aus beziehungsweise löst Mutationen aus, die zum gewünschten Ergebnis führen sollen – etwa nicht braun werdendes Obst oder süß schmeckende Beeren.
Eine Kernfrage
Die Kernfrage, die sich stellte: Unterliegen mit dieser Methode veränderte Produkte besonderen Auflagen wie einer Kennzeichnungspflicht? Forscher und Unternehmen argumentierten damit, dass im Gegensatz zu klassischen Gentechnikverfahren die Ergebnisse auch auf natürlichem Weg erreicht werden könnten und dass im Endprodukt keine Spuren des Verfahrens zu finden seien.
Umweltschützer und NGOs erklärten dagegen, dass so der Markt durch Gen-Gemüse und Co. still und heimlich unterwandert werde. Die vereinfachte Frage an einem Beispiel: Muss Mais, der mit der Genschere gezüchtet wurde, der aber von natürlichem Mais nicht unterschieden werden kann, zugelassen und gekennzeichnet werden?
Überraschende Entscheidung
Am Mittwoch entschied der EuGH: die neuen Gentechnikverfahren unterliegen sehr wohl den Auflagen nach der Gentechnikrichtlinie der Europäischen Union, denn die Risiken der "Genschere" seien vergleichbar mit bisherigen Genverfahren. Das überrascht, denn in Stellungsnahmen der EU-Generalanwaltschaft war vor der Entscheidung eine Empfehlung erfolgt, die in den neuen Verfahren gewonnen Produkte als nicht gentechnisch verändert anzusehen.
Das Urteil hat nun weitreichende Auswirkungen. In der EU muss man sich für einen "gentechnisch veränderten Organismus (GVO)" (darunter fallen etwa Saatgut, Pflanzen sowie Lebens- und Futtermittel, die daraus hergestellt werden) eine Zulassung einholen, was in jedem einzelnen Fall mit hohem Zeitaufwand und hohen Kosten verbunden ist. Zudem müssen Produkte, die aus solchen Verfahren hergestellt werden, als gentechnisch verändert ausgewiesen werden.
Situation in der EU
Auf EU-Ebene waren mit Stand Juli 2017 59 verschiedene gentechnisch veränderte Pflanzen für die Vermarktung sowie für die Verwendung als Lebens- und Futtermittel zugelassen, viele weitere warten auf eine Zulassung. Sie werden fast ausschließlich als Futtermittel für Nutztiere verwendet, Lebensmittel im handel findet man in äußerst geringem Umfang.
Beim Anbau sieht es noch strenger aus. Mitte 2017 lag nur für einen einzigen gentechnisch veränderten Mais die Voraussetzungen für einen kommerziellen Anbau vor. Österreich hat die Beschränkungen noch einmal verschärft. Bisher gibt es in Österreich keinen Anbau von Gen-Pflanzen, weder kommerziell noch zu Testzwecken, außerhalb von Gewächshäusern. Außerdem hat Österreich die Möglichkeit, sein Landesgebiet vom Anbau von GV-Pflanzen ausnehmen lassen. Dies nutzte Österreich bereits bei sechs Gen-Pflanzen – was quasi ein Anbauverbot in Österreich bedeutet. (red)