Politik
ESM - 38 Prozent nicht informiert
Liebe Bundesregierung, so gehts nicht! Im Vorfeld von einer der wichtigsten wirtschaftlichen Weichenstellungen der 2. Republik wurden Österreichs Bürger nicht oder nur mangelhaft informiert. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage im Auftrag von "Heute".
Liebe Bundesregierung, so geht‘s nicht! Im Vorfeld von einer der wichtigsten wirtschaftlichen Weichenstellungen der 2. Republik wurden Österreichs Bürger nicht oder nur mangelhaft informiert. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage im Auftrag von Heute.
Mit 27 Milliarden Euro (inklusive Zinsen und Kosten) haften wir Steuerzahler bereits für den provisorischen Euro-Rettungsschirm EFSF. Jetzt wird den Österreichern die nächste Milliarden-Bürde aufgehalst. Diesmal geht es um 19,5 Milliarden, von denen 2,2 Milliarden in 5 Raten à 450 Millionen Euro in den "Europäischen Stabilitätsmechanismus" ESM einzuzahlen sind.
"Ist das eine richtige Maßnahme?", fragte die Karmasin-Motivforschung im Heute-Auftrag 500 Bürger. Das dramatische Ergebnis: 38 Prozent konnten keine Aussage über den ESM treffen, weil sie darüber nicht ausreichend informiert wurden! Am häufigsten beklagten sich Frauen (41 %), Arbeiter (47 %), Pflichtschulabsolventen (54 %), die Generation 50+ (40 %) sowie Tiroler und Vorarlberger (53 %) über die mangelhafte Info-Politik.
33 Prozent der Umfrage-Teilnehmer befürworteten übrigens die Schaffung des ESM. 29 Prozent halten besagte Hilfsmaßnahme für angeschlagene Euro-Staaten und ihre Geldinstitute für völlig falsch.
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Was ist der ESM und wozu ist er gut?
Der "Europäische Stabilitätsmechanismus" ist eine Finanzfirma mit Sitz in Luxemburg, die von den 17 Mitgliedern der Eurozone gegründet wird. Sie versorgt im Notfall angeschlagene Euro-Staaten und ihre maroden Banken unter Auflagen mit billigen Krediten. Das Geld wiederum borgt sich der ESM auf den Märkten. Können Staaten Darlehen nicht retournieren, müssen das die übrigen ESM-Mitglieder bis zu einer Obergrenze von insgesamt 700 Milliarden tun.
Wie hoch ist die Österreich-Haftung?
Wir Steuerzahler sind mit bis zu 19,5 Milliarden dabei. 2,2 Milliarden davon müssen als Grundkapital (in Summe 80 Milliarden) in das Unternehmen ESM einbezahlt werden.
Wer vertritt unsere Interessen?
Jedes der 17 Mitglied entsendet den Finanzminister bzw. -ministerin und einen Stellvertreter ins ESM-Entscheidungsgremium, den so genannten Gouverneursrat. Aktuell ist das Maria Fekter (ÖVP).
Wie groß ist Österreichs Mitspracherecht?
Die Stimme eines jeden Landes wird entsprechend seinen Anteilen an der Gesamthaftung gewichtet. Im Falle Österreichs sind das 2,78 Prozent. Den größten Einfluss haben Deutschland mit 27,15 und Frankreich mit 20,38 Prozent. Einige Entscheidungen, etwa eine Kapitalaufstockung, können nur einstimmig (und mit Billigung der nationalen Parlamente) beschlossen werden. In anderen Fällen – etwa wenn Mitglieder überraschend und ganz dringend Geld benötigen – können Einzelstaaten samt ihren Volksvertretern per Notfallparagraf einfach übergangen werden.
Wer übernimmt die Beiträge und Haftungen jener Länder, die ESM-Hilfe beantragen?
Jedes Mitglied, ohne Ausnahme, zahlt und haftet – grundsätzlich. Tut oder kann es das nicht, verliert es sein Stimmrecht im ESM. Allerdings wird der ausstehende Beitrag den zahlungsfähigen Euro-Staaten aufgebürdet.
Kann Österreich aus dem ESM-Abkommen aussteigen?
Nein, ein Austritt ist nicht vorgesehen. Einzige Möglichkeit: Die EU bricht auseinander. Damit wird der Zweck des Vertrags hinfällig.
Warum benötigen Länder wie Griechenland, Portugal oder Irland überhaupt Hilfe?
Über Staatsanleihen konnten sich Länder bis vor Kurzem nahezu unbegrenzt Geld zu niedrigen Zinsen borgen, Schulden wurden mit neuen Schulden finanziert. Aber: Weil Anleger bei einigen Nationen befürchten, ihr Geld nicht mehr zurückzubekommen, verlangen sie mittlerweile teils erheblich höhere Zinsen bzw. "Risikoaufschläge". Neue Kredite werden damit auf den üblichen Wegen über die Finanzmärkte so gut wie unleistbar. Aktuell haben auch Spanien und Italien mit diesem Problem zu kämpfen.
Was ist der EFSF? Die „Europäische Finanzstabilisierungsfazilität“ ist der Vorläufer des ESM. Der EFSF wurde im Mai 2010 gegründet und kann bis zu 440 Milliarden Euro an Krediten an notleidende Euro-Länder vergeben. Die Österreich-Haftung beträgt hier netto 21,6 Milliarden Euro, hinzu kommen auch noch Zinsen und Kosten.
Was ist der Fiskalpakt?
Das ist der Vertrag über "Stabilität, Koordination und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion". Das Abkommen wurde im Dezember 2011 beschlossen. Mit Ausnahme von Großbritannien und Tschechien verpflichten sich die Unterzeichner, einen Teil der Kontrolle über die nationale Finanzpolitik der EU zu übertragen und ihre Schulden auf das von der Union geforderte Niveau zu senken. Bei zu hohen Defiziten gibt es automatisch Konsequenzen – auch Strafen.