Klimaschutz
EU-Behörde will wieder Patente auf Leben vergeben
Das Europäische Patentamt droht, wieder Patente auf Leben zu erteilen. NGOs warnen vor einer Monopolisierung unserer Nahrungsmittel.
Seit Freitag geht ein Aufschrei durch die europäische Gemeinschaft der vielen Organisationen, die sich dem Naturschutz und der Erhaltung der Artenvielfalt – darunter wie etwa "Arche Noah" in Österreich – verschrieben haben. Wie das Bündnis "Keine Patente auf Saatgut!" mitteilt, soll der Präsident des Europäischen Patentamtes (EPA) António Campinos das Moratorium zur Prüfung von Patenten auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung eigenmächtig und von der Öffentlichkeit unbemerkt aufgehoben haben.
Damit könnten etwa wichtige Kulturpflanzen wieder von Züchtern zum Patent angemeldet werden, selbst wenn deren spezielle Eigenschaften nur auf einer zufälligen Genmutation beruhen – und das obwohl die Große Beschwerdekammer des EPA erst im Mai diesen Jahres grundsätzlich bestätigt hatte, dass Lebewesen aus herkömmlichen Züchtungsverfahren nicht patentiert werden dürfen.
Warnung vor Monopolen auf Nahrungsmittel
Aufgrund des wachsenden Widerstandes und der andauernden Rechtsstreitigkeiten gegen solche Patente hatte das EPA 2019 die Patentprüfung für Pflanzen und Tiere aus "im Wesentlichen biologischen Verfahren" ausgesetzt. Nun hat Präsident Campinos das Moratorium Anfang Juni aufgehoben, noch bevor überhaupt die Definition der gewählten Begrifflichkeit geklärt war. Die mangelnde Rechtsklarheit ermögliche dem EPA nun großen Spielraum bei der Erteilung von Patenten, so die NGOs.
➤ "Das Patentamt missbraucht die fehlende Klarheit, um Monopole auf die Grundlagen unserer Ernährung zu schaffen und damit Geld zu verdienen", warnt Katherine Dolan, Expertin für Saatgutpolitik bei Arche Noah und "Keine Patente auf Saatgut!"-Vorstandsmitglied. Sie fürchtet eine neue Welle von Patent-Anmeldungen.
Welche Auswirkungen das haben kann, zeigt Dolan an einem Beispiel. So wurde schon 2018 ein Patent auf Salat, der auch bei höheren Temperaturen noch keimen kann, erteilt. Diese Eigenschaft beruhe allerdings auf einer zufälligen Mutation im Erbgut. Diese erleichtere den Anbau in vom Klimawandel betroffenen Regionen erheblich – allerdings nur für den Patentinhaber, eine niederländische Saatgutfirma.
➤ "Wenn eine Firma exklusiv jene Eigenschaft in Händen hat, die den Anbau von Salat bei höheren Temperaturen ermöglicht, wird diese Firma in Zukunft bestimmen, welchen Salat wir anbauen und essen können und zu welchem Preis."
EU-Patent würde auch in Österreich gelten
Das würde aktuell auch an der politischen Haltung in unserem Land scheitern: "Das Österreichische Patentamt erteilt keine Patente auf Leben“, ließ die zuständige Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) Mitte Mai per Aussendung mitteilen. Man habe sich gemeinsam mit vielen anderen Ländern mehrfach für eine Neuregelung des europäischen Patentrechts ausgesprochen.
"Es ist Zeit, die Worte in Taten umzusetzen", fordert nun Dolan die Ministerin auf. Denn die bevorstehende Einführung des europäischen Einheitspatents könnte die österreichischen Entscheidungen obsolet machen – dann wäre auch hierzulande der Anbau des hitzetoleranten Salats fest in der Hand seiner niederländischen Züchter. "Wegen des kommenden EU-Einheitspatents brauchen wir mehr denn je ein klares Verbot von Patenten auf Leben", schärft die Artenvielfalt-Schützerin nach.