Hetze & Fake News
Enthüllt! Schwedens Rechte betreiben eigene Trollfabrik
Eine Recherche enthüllte, dass die rechten Schwedendemokraten in den sozialen Medien anonyme Konten betrieben und über politische Gegner herzogen.
Schwedens zweitgrößte Partei, die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD), haben in ihrer Kommunikationsabteilung eine Trollfabrik betrieben.
Über anonyme Accounts wurden in den sozialen Medien Falschinformationen gestreut, politische Gegner – aber auch Partner – verleumdet und Fremdenhass verbreitet. Experten warnten noch vor Desinformationskampagnen aus Russland, doch die Spur führte ins eigene Parlament.
Undercover-Recherche
Aufgeflogen ist die Beeinflussungs- und Manipulationstaktik durch eine investigative Recherche des schwedischen Senders TV4. Monatelang hatte sich ein Journalist in die Kommunikationsabteilung eingeschleust und das Vorgehen der SD mit versteckter Kamera dokumentiert.
Mindestens 23 anonyme Konten auf den Plattformen Facebook, TikTok, Instagram und YouTube mit insgesamt rund 260.000 Followern konnten der Partei zugeordnet werden.
Ministerpräsident Kristersson: "Die Sache ist ernst"
Mit der Enthüllung ging ein Ruck durch Schwedens Politik: Die Schwedendemokraten sind zwar nicht Teil der Regierung, aber ein wichtiger Partner für das bürgerliche Kabinett von Ulf Kristersson. Dieser fand nach Bekanntwerden der Trollfabrik klare Worte und bezeichnete die Verleumdungskampagne als inakzeptabel.
"Die Schwedendemokraten scheinen ernstzunehmende Probleme in ihrer Kommunikationsabteilung zu haben – sie werden sich vielen Fragen stellen müssen", sagte er in einer Pressekonferenz. Zudem erwarte er eine Entschuldigung. Der Vorfall schade dem Vertrauen in die Politik sowie dem Vertrauen zwischen den Parteien. "Die Sache ist ernst", betonte er.
SD-Chef Åkesson: "Satire und Humor"
Die linke Opposition nutzte derweil den Skandal, um Druck auf die Regierung auszuüben. Die eher zurückhaltende Reaktion Kristerssons sorgte für Kritik – er gab sich zufrieden, nachdem die SD einige besonders verletzende Beiträge gelöscht hatte. Geht der Ministerpräsident jedoch zu forsch gegen die Schwedendemokraten vor, riskiert er die knappe rechtsbürgerliche Mehrheit im Parlament. Ist diese weg, fällt auch Kristerssons Regierung.
Die Schwedendemokraten reagierten umgehend – mit einer Anzeige gegen den Sender TV4. Der Parteivorsitzende Jimmie Åkesson bestreitet, dass seine Partei eine Trollfabrik betrieben habe. "Es handelt sich hierbei in erster Linie um Satire und Humor", meint er. Stattdessen wittert Åkesson eine politische und mediale Verschwörung gegen seine Partei. Man habe keine Pläne, die Arbeitsweise zu ändern, verkündete er.
Trollfabrik überschattet EU-Wahlen
Das Timing der Enthüllung könnte angesichts der bevorstehenden EU-Wahlen kaum schlechter sein. Am Mittwoch hätten die Parteivorsitzenden im Parlament im Vorfeld der Europawahlen debattieren sollen. Doch über die EU wurde verhältnismäßig wenig gesprochen – stattdessen lag der Fokus klar auf der Trollfabrik der SD.
Nicht nur die Schwedendemokraten, sondern auch die Liberalen zittern bezüglich der EU-Wahlen nun um ihre Sitze im EU-Parlament: Die Regierungspartei holt in Umfragen nur tiefe Werte – gehen nun aufgrund des SD-Skandals weniger Schwedinnen und Schweden wählen, riskieren die Liberalen, aus dem Europaparlament zu fliegen.
Für die Schwedendemokraten könnte die Enthüllung gar von Vorteil sein: Åkessons Darstellung, dass nun alle Parteien gegen die SD kämpften, könnte seine Wählerschaft zusätzlich mobilisieren, spekulieren schwedische Journalisten.