Welt
Dutzende tote Zivilisten bei schweren Kämpfen im Sudan
Im Sudan sind im Zuge eines Machtkampfs zwischen der Armee und einer paramilitärischen Gruppe Gefechte in mehreren Teilen des Landes ausgebrochen.
Die schwere Staatskrise im Sudan hat sich in der Nacht zu Sonntag mit weiteren Kämpfen zwischen der Armee und einer wichtigen paramilitärischen Gruppe fortgesetzt. In der Hauptstadt Khartum kam es erneut zu Artilleriegefechten, wie auf Videos örtlicher Medien zu sehen war. Berichtet wurde zudem über Luftangriffe der sudanesischen Luftwaffe auf Stützpunkte der Paramilitärs. Befürchtet wird, dass den seit Samstagmorgen anhaltenden Kämpfen zahlreiche Menschen zum Opfer gefallen sind, darunter auch Zivilisten.
Eine sudanesische Ärzte-Organisation teilte am frühen Sonntagmorgen über Twitter mit, es gebe mindestens 56 zivile Todesopfer und Dutzende getötete Soldaten. Außerdem seien in Krankenhäusern und anderen Versorgungsstellen knapp 600 Verletzte gezählt worden, von denen Dutzende in Lebensgefahr schwebten. Die Organisation rief zu einer sofortigen Waffenruhe auf, um das Leben unschuldiger Menschen zu schützen und Verletzte behandeln zu können.
Machtkampf zwischen Armee und RSF
Hintergrund ist ein Machtkampf zwischen Sudans Machthaber General Abdel Fattah al-Burhan und seinem Vize Mohammed Hamdan Daglo, Anführer der bewaffneten Rapid Support Forces (RSF). Die Armee hat seit dem Sturz des Langzeitmachthabers Omar al-Baschir 2019 und einem weiteren Putsch gegen eine daraufhin eingesetzte – faktisch aber vom Militär kontrollierte – Zivilregierung 2021 die Kontrolle über das nordostafrikanische Land mit rund 46 Millionen Einwohnern. An dem Putsch vor zwei Jahren waren auch die RSF beteiligt.
Im Zuge des geplanten Übergangs zu einer zivilen Führung des Landes sollten die Paramilitärs in die regulären Streitkräfte eingegliedert werden, was zu Spannungen führte. Daglo unterstellt al-Burhan, sein Amt als De-Facto-Staatschef nicht aufgeben zu wollen.
Die RSF behaupteten am späten Samstagabend bei Twitter, 90 Prozent der vom Militär kontrollierten Gebiete im Sudan übernommen zu haben und in die Kommandozentrale der Armee eingedrungen zu sein. Die Armee wies dies als Lügen zurück. Wer in der Hauptstadt zurzeit die Oberhand hat, ist unklar. Das Militär gab sich jedenfalls unversöhnlich: Einen Dialog oder Verhandlungen mit den RSF werde es nicht geben, die Gruppe müsse sich erst auflösen, hiess es in einer über Facebook verbreiteten Stellungnahme.
Angriffe auf Flughafen
Armee und RSF machten sich gegenseitig für den Ausbruch der Gewalt verantwortlich. Auch zur Lage im Land machten sie widersprüchliche Angaben. Die RSF erklärte, sie habe unter anderem den Präsidentenpalast und den Flughafen von Khartum eingenommen. Die Armee wies dies zurück. Sie warf den RSF-Kämpfern vor, bei den Auseinandersetzungen ein saudi-arabisches Linienflugzeug in Brand gesetzt zu haben. Ihrerseits will die Armee Luftangriffen auf das RSF-Hauptquartier geflogen haben.
Nach Angaben der saudiarabischen Fluggesellschaft Saudia wurde ein Airbus A330 in Khartum kurz vor dem geplanten Start nach Saudiarabien durch Schüsse beschädigt. Passagiere und Besatzung seien zum Zeitpunkt des Angriffs bereits im Flugzeug gewesen; inzwischen aber seien sie in Sicherheit in der saudiarabischen Botschaft. Als Konsequenz setzte Saudia alle Sudan-Flüge aus.
RSF-Anführer Mohammed Hamdan Daglo sagte dem Nachrichtensender Al-Dschasira, Ziel seiner Kämpfer sei die Eroberung aller Armeestützpunkte. Die RSF würden zudem solange kämpfen, bis "die ehrenhaften Mitglieder der Streitkräfte sich uns anschließen". Die Miliz rief zudem die Bevölkerung auf, sich gegen die Militärregierung zu erheben.
Zivile Vertreter im Sudan forderten einen sofortigen Waffenstillstand. Sie warnten vor einem "vollständigen Zusammenbruch" des krisengeplagten Landes.
UN-Sicherheitsrat soll beraten
Die Eskalation der Gewalt löste weltweit Besorgnis aus. UN-Generalsekretär António Guterres forderte die Konfliktparteien auf, "die Feindseligkeiten unverzüglich einzustellen, die Ruhe wiederherzustellen und einen Dialog zur Lösung der aktuellen Krise einzuleiten". Guterres telefonierte am Samstagabend mit RSF-General Daglo. Auch US-Außenminister Antony Blinken und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderten ein Ende der Gewalt. Das russische Außenministerium erklärte ebenfalls, Moskau sei "ernsthaft besorgt" und fordere sofortige Schritte für einen Waffenstillstand.
Am Montag soll sich der UN-Sicherheitsrat mit der Lage in dem Krisenstaat beschäftigen. Großbritannien beantragte am Samstag eine Sitzung des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur sagten. Der 15-köpfige Rat wird sich planmäßig am Vormittag hinter verschlossenen Türen treffen.