SPÖ-Grande will "Tabula rasa"

Doskozil rechnet mit Ampel ab: "Ämter im Vordergrund"

Hans Peter Doskozil meldet sich nach seiner OP zurück. Er hätte nicht gewusst, "ob die Stimme zurückkommt". Nun ist sie da – und er erhebt sie laut.

Clemens Oistric
Doskozil rechnet mit Ampel ab: "Ämter im Vordergrund"
Landeschef Doskozil am Tag vor seinem Comeback im Landtag – nur ein Pflaster zeugt noch von der OP.
"Heute"

Die leise-laute Stimme der SPÖ meldet sich zurück! Burgenland-Chef Hans Peter Doskozil wird am Mittwoch nach seiner achten Kehlkopf-Operation samt Lungenentzündung sein Comeback im Landtag geben und sich der Fragestunde stellen. Bereits im Vorfeld sprach der rote Grande über den beginnenden Wahlkampf, die finanzielle Situation im Bund und Land sowie die Ampel-Verhandlungen in Wien.

"Froh, dass ich nicht depressiv wurde"

In den vergangenen Wochen habe er angesichts seiner gesundheitlichen Probleme durchaus auch nachzudenken begonnen: "Ich bin froh, dass ich nicht depressiv geworden bin", so Doskozil im Reduce Hotel Vital in Bad Tatzmannsdorf. Hintergrund: Die Abwesenheit ist letztlich länger ausgefallen als geplant. Der Routine-Eingriff in Leipzig sei zwar "gut verlaufen", der dafür nötige Luftröhrenschnitt für ihn "nichts Aufregendes mehr"; zurück in Österreich habe ihn jedoch "eine Lungenentzündung massiv zurückgeworfen", wie er schildert.

Ich wusste selbst nicht: Kommt die Stimme wieder oder nicht?
Hans Peter Doskozil
Landeshauptmann Burgenland (SPÖ)

"Ich konnte deswegen ein bis zwei Wochen kein Sprachtraining machen. Durch das Nicht-Üben sind Membranen entstanden und haben mir die Möglichkeit genommen, die Stimme zu formen." Dann erzählt Doskozil über eine für ihn neue, bedrückende Erfahrungen: "Ich hatte bis letzte Woche keine Stimme – eine Situation, die ich bei den vorangegangenen Operationen noch nie gehabt habe. Ich wusste selbst nicht: Kommt die Stimme wieder oder nicht?"

"Ich war froh und glücklich"

Ende vergangener Woche ist Doskozil nochmals zu einer Nach-Kontrolle zu seinem behandelnden Arzt Prof. Dietz ("Der größte Glücksfall in meinem Leben") nach Leipzig gefahren. Der erkannte Probleme an den Schleimhäuten, entfernte sie umgehend: "Seitdem ist die Stimme wieder da." Sein Gefühl, als er wieder sprechen konnte? "Einfach perfekt. Ich war froh und glücklich."

Ob er glaubt, dass der Takt notwendiger Operation geringer wird? "Das ist die Hoffnung." Nachsatz: "Man muss sich bewusst sein, dass sich nicht jede Hoffnung erfüllt und damit leben." Für den SPÖ-Granden beginne nun "eine Zeit des Aufbruchs": "Ich spüre die Folgen der Lungenentzündung körperlich zwar noch, fühle mich aber so weit fit, meine Amtstätigkeit vollumfänglich wieder aufnehmen zu können." Er werde mit seinem Team bis zum 6. Jänner wie gewohnt weiterarbeiten – "und erst dann mit dem Wahlkampf beginnen".

Landeshauptmann Doskozil im Gespräch mit <em>"Heute"</em>-Chefredakteur Clemens Oistric
Landeshauptmann Doskozil im Gespräch mit "Heute"-Chefredakteur Clemens Oistric
"Heute"

"Es wird mit Gerüchten gearbeitet"

Da das Burgenland bekanntlich am 19. Jänner einen neuen Landtag wählt, sei nun "eine Zeit der Irrationalität", meint Doskozil. "Es werden Dinge erzählt, die nicht stimmen und es wird mit Gerüchten gearbeitet – auch was mich und meine Stimme betrifft."

Besonders ärgerlich sei für ihn die Kritik hinsichtlich des Budgets ("viele Unwahrheiten") seitens der ÖVP, die selbst nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen brauche: "Im Bund hat man über Gebühr gelebt. Das war nicht in Ordnung."

"Bis 2030 Null-Verschuldung"

Im Burgenland sei er persönlich als Referent für die Landesfinanzen zuständig. Doskozil erläutert: "Wir haben in den letzten fünf Jahren mit Corona, Krieg und hoher Inflation eine schwierige Situation gehabt. Aber wir haben es geschafft, jene Unterstützungen zu geben, die notwendig waren." Das Land habe "bewiesen, dass wir keine zusätzliche Verschuldung vornehmen", der nun kursierende Nachtragsvorschlag mit angeblich verdreifachtem Defizit sei auf das Auflösen von Barrücklagen zurückzuführen.

Marschroute: "Bis 2030 muss ein Null-Verschuldungs-Budget erreicht werden. Das ist unser Weg." In Vorwahlzeiten könne man, so der Landeschef, darüber nur schwer diskutieren. Er fürchtet: "Die Budgetsitzung wird auf einem Niveau ablaufen, die wir uns nicht wünschen. Aber da müssen wir durch."

"Keine Gemeinde kann pleite gehen"

In Schieflage geratene Gemeinden werde man unterstützen: "Es kann im Burgenland keine einzige Gemeinde pleite gehen. Wir haben im Landtag ein Auffangnetz beschlossen und werden im Bedarfsfall mit jeder Gemeinde Lösungen finden. Es wird aber keine Gießkanne über alle Gemeinden hinweg geben."

Ampel-Abrechnung: "Nur Ämter im Vordergrund"

Rot sieht der rote Grande bei den Verhandlungen zu einer Austro-Ampel ("Sie verlaufen holprig") auf Bundesebene. Die Chance (oder Gefahr, je nach Sichtweise), dass sie noch scheitert, bemisst er nur noch mit 10 Prozent. "Die ÖVP ist gezeichnet durch Niederlagen, will keinesfalls den Kanzler verlieren und tut alles dafür, diese Koalition zu bilden." Der Landeschef ärgert sich: "Es stehen nur Ämter im Vordergrund, nicht Themen wie Pflege oder Gesundheitsversorgung. Darüber hört man leider nichts."

Er ortet "sehr viel Sparpotenzial auf Bundesebene": "Eine Regierung kann man locker mit acht bis zehn Ministerien und einer Personalsektion führen. Das wird nicht realisiert."

"Kennen Sie die Steuerinhalte?"

"Kennen Sie etwa die konkreten Steuerinhalte?", fragt der Spitzenpolitiker. Und gibt sich die Antwort gleich selbst: "Ich kenne sie nicht. Die müssen jetzt auf den Tisch gelegt werden. Dann können wir sie beurteilen."

Doskozil sieht die "Gefahr, dass wir auf Bundesebene instabiler werden"; meint: "Bei den Unterschiedlichkeiten dieser drei Parteien glaube ich kaum, dass das fünf Jahre gutgeht."

Die Bevölkerung geht zur Wahl und erwartet sich, dass Politiker in Funktionen kommen, die das Land führen und Entscheidungen treffen können.

Auf Ablehnung stößt bei ihm auch der Vorstoß nach Volksbefragungen für Themen, auf die sich die Ampel nicht einigen kann. "Ich stehe grundsätzlich hinter direkter Demokratie bei grundsätzlichen Veränderungen im Land." Doskozil führt hier etwa die Neutralität an: "Bei diesen Fragen sind zwangsweise Volksabstimmungen durchzuführen, jetzt will man sie aber strapazieren, weil man in Dreier-Konstellation nicht zurande kommt."

"Ein Zeichen von Schwäche"

Schon vor der Angelobung sei die Austro-Ampel "politisch nicht in der Lage, zu Lösungen zu kommen". Doskozil kritisiert: "Man will aber Ämter konsumieren. Und bevor alles in die Brüche geht, soll dann das Volk entscheiden. Ich halte das für ein Zeichen von Schwäche; von Entscheidungsschwäche der Politik. Die sind gewählt und suchen sich einen Vierten, der entscheidet." Sein Zugang? "Die Bevölkerung geht zur Wahl und erwartet sich, dass Politiker in Funktionen kommen, die das Land führen und Entscheidungen treffen können."

Das Burgenland habe sich "komplett rausgehalten" bei den Verhandlungen einer Regierung an Wahlsieger Herbert Kickl vorbei: "Wir sind in den Arbeitsgruppen nicht vertreten. Wenn man eine Linie hat, muss man sich treu bleiben."

Ampel? "Ich bin nicht begeistert!"

Ob er die Regierungsbeteiligung seiner Partei, der SPÖ, für einen Fehler hält? Doskozil: "Ich will die Gespräche nicht stören. Ein Gedanke sei mir nach dem historisch schlechtesten Ergebnis aber gestattet: Wir sind finanziell ziemlich am Rande der Belastbarkeit, 15 Milliarden Euro müssen kaschiert werden. Nun in einer Regierung ein neues Kapitel der Belastungen aufzuschlagen, ohne es verschuldet zu haben – davon bin ich nicht begeistert. Man hätte Tabula rasa machen müssen."

"Fürs Burgenland weiterarbeiten"

Im Burgenland stelle die SPÖ seit 60 Jahren den Landeshauptmann. Der seit sechs Jahren regierende Doskozil ortet bei ÖVP und FPÖ eine "unabhängig des Ergebnisses eine große Sehnsucht", die Sozialdemokratie abzulösen: "Wenn es sich irgendwie ausgeht, wird man diese Koalition ohne SPÖ spielen. Davon bin ich tief überzeugt." Er bittet die Burgenländer um ihr Vertrauen, "weil wir in einer Koalition mit der Bevölkerung bleiben und das Leben der Menschen weiter besser machen möchten".

"... so viel zum Herrn Innenminister"

Noch nicht beurteilen könne er die Frage, wie mit Syrien-Flüchtlingen nun umzugehen sei. Dass Innenminister Gerhard Karner nach dem Regimewechsel in Syrien Geflüchtete wieder in die Heimat abschieben möchte, sieht er als "ein Wichtigmachen" und "rein populistische Ansage". Doskozil: "Wir leben in einem Rechtsstaat. Die Lage in Syrien beurteilt nicht der Herr Innenminister, sondern Höchstgerichte. Keiner weiß, wer jetzt an die Macht kommt und wie die Menschenrechtssituation ist."

Grundsätzlich seien zwei Varianten denkbar: "Freiwillige Rückkehr ist möglich. Man kann diese mit finanziellen Anreizen versehen. Alles andere passiert verfahrenstechnisch über Bescheide", so Doskozil. Karners Vorstoß erbost den Landeshauptmann: "Er schafft es zu 90 Prozent nicht, rechtskräftig negativ beschiedene Fälle abzuschieben – so viel zum Herrn Innenminister.

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    Hans Peter Doskozil wurde im Rahmen der Flüchtlingskrise 2015 einer großen Öffentlichkeit bekannt. Hier im Bild: Der damalige Polizeidirektor mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.
    Hans Peter Doskozil wurde im Rahmen der Flüchtlingskrise 2015 einer großen Öffentlichkeit bekannt. Hier im Bild: Der damalige Polizeidirektor mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.
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    Auf den Punkt gebracht

    • Hans Peter Doskozil, der burgenländische SPÖ-Chef, meldet sich nach einer schweren gesundheitlichen Phase mit einer Lungenentzündung und mehreren Kehlkopf-Operationen zurück und kritisiert die aktuellen politischen Entwicklungen.
    • Er äußert sich kritisch zu den Ampel-Verhandlungen auf Bundesebene, betont die Notwendigkeit eines Null-Verschuldungs-Budgets bis 2030 im Burgenland und lehnt populistische Ansagen zur Abschiebung von Syrien-Flüchtlingen ab.
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