Klimaschutz
Doskozil-Ansage: So will er mit Klimaklebern umgehen
120 Maßnahmen hat er auf 80 Seiten aufgeschrieben; bis 2030 soll das Burgenland klimaneutral sein. Das "Heute"-Interview mit Landeschef Doskozil.
Andau im Burgenland, umgeben von Weinreben und Dutzenden Windkraftwerken treffen wir Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zum Interview für "Heute For Future". Wobei wir gleich im Thema wären: Beinahe täglich berichtet der Verkehrsfunk über Staus infolge von Aktionen der "Letzten Generation".
Wie sieht Doskozil – immerhin ehemaliger Uniformierter und Landespolizeichef – die Thematik? Reiht er sich ein in den Kanon jener Politiker, die nun im Wochentakt härtere Strafen fordern? Doskozil überrascht mit seiner Antwort: "Ich will diesen jungen Menschen gar nicht zum Vorwurf machen, dass sie sich um die Zukunft unseres Landes und die Klimasituation Gedanken machen." Für den SPÖ-Politiker ist die "Diskussion doppelbödig".
"Würde mit Klimaklebern sprechen"
Heißt? "Auf der einen Seite beschweren wir uns immer, dass sich die Jugend nicht für Politik interessiert und es Politikverdrossenheit gibt. Wenn man als Politiker dann in diese Kerbe schlägt – zu polarisieren, zu spalten – dient man der Sache nicht. Das sollten wir aus der Corona-Zeit gelernt haben." Wie würde er also vorgehen? "Ich würde das Gespräch mit den Klimaklebern suchen – in ernsthafter Atmosphäre, auf Augenhöhe. Vielleicht gäbe es diese Protestaktionen nicht mehr, wenn sich diese jungen Menschen ernstgenommen fühlen."
Er erinnert an den geplanten Bau eines Atomkraftwerks in Zwentendorf: "Auch da wurden die Aktivisten harsch kritisiert. Im Nachhinein hatten ihre Aktionen aber Sinn. Daher glaube ich, dass es wichtig wäre, in der verbalen Auseinandersetzung runterzukommen und das Gespräch zu suchen. Das ist ein wesentlicher Aspekt in der Politik."
"Brauchen die Arbeitsplätze"
Es sei "unbestritten, dass wir Maßnahmen setzen müssen, um gewisse Ziele und Klimaneutralität zu erreichen", sagt Doskozil. Die Frage sei aber immer, "welche Maßnahmen wie schnell im Einklang mit der Bevölkerung umzusetzen sind". Man müsse zudem "extreme Ausreißer in der Mitte zusammenführen". Im Burgenland werde das gelingen, zeigt sich der Landeshauptmann optimistisch: "Wir werden beweisen, dass wir die Bevölkerung mitnehmen und dass es für die Menschen nicht teurer wird." Auch die Wirtschaft müsse reüssieren können und ihre Interessen berücksichtigt werden, schließlich "brauchen wir auch in Zukunft Arbeitsplätze".
"Ausbau auf der Schiene schwierig"
Eine weitere Herausforderung: Das Burgenland ist das Land der Pendler. Nirgendwo sonst in Österreich haben Arbeitnehmer einen weiteren Weg (diesfalls im Schnitt 41 Kilometer) zum Job. Doskozil kennt die Herausforderungen: "Ich bin selbst einige Jahre mit dem Bus aus dem Südburgenland nach Wien gependelt." Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs auf der Schiene sei "schwierig, weil er sehr lange dauert", so Doskozil. Nachsatz: "Wir intensivieren den öffentlichen Verkehr daher im Bussektor, testen schon den einen oder anderen elektrischen Bus und möchten relativ bald ein 'Burgenland Ticket' anbieten. Das können wir aber nur, wenn das entsprechende Leistungsspektrum vorhanden ist."
„Doskozil: "E-Autos werden der Weg der Zukunft sein."“
Von Infrastrukturministerin Leonore Gewessler von den Grünen hätte er sich "mehr erwartet, was den Ausbau der Schiene betrifft": "Für viele Projekte gibt es keinerlei Perspektive. Wir werden im Burgenland wie ein Stiefkind behandelt." Zudem kritisiert Doskozil, dass "Projekte im öffentlichen Verkehr sehr stark gewinnorientiert getrieben" seien, wie er erläutert: "Wenn es darum geht, einen zweiten oder dritten Anbieter auf der Westbahn zu lukrieren und motivieren, wird es genug Interessenten geben. Wenn es aber darum geht, Verkehr in Regionen zu bringen, wo man nicht immer nur Gewinne schreibt, dann ziehen sich die staatsnahen Betriebe – beispielsweise die ÖBB – zurück. Dann muss das Land einspringen", ärgert er sich. Die finanziellen Aufwendungen für den öffentlichen Verkehr würden daher "unbestritten mehr werden".
"Aufzeigen, wie man sparen kann"
Beim Individualverkehr möchte das Burgenland "Anreize setzen, um sich mit Elektromobilität auseinanderzusetzen". E-Autos hält der Landeschef für den "Weg der Zukunft", schränkt aber ein: "Es ist wichtig, den Menschen aufzuzeigen, wie es möglich sein kann, sich bei einem Umstieg Monat für Monat Geld zu ersparen. Dann wird es akzeptiert werden und Sinn machen."
„"Die Regierung wartet nur noch auf den Schlussgong im Oktober 2024."“
Beim CO2-Preis, der Tanken ab Jänner in Österreich nochmals teurer macht, geht er mit der türkis-grünen Koalition hart ins Gericht: "Inhaltlich mag das die richtige Maßnahme sein, derzeit ist es aber der falsche Weg", sagt Doskozil. Er befindet: "In der aktuellen Situation produzieren wir uns die Inflation mit den hohen Sprit- und Energiepreisen selber. Es wäre schon längst notwendig gewesen, dort preisgestaltend einzugreifen. Aber dazu war die Bundesregierung nicht nur nicht willens, sondern überhaupt nicht mehr in der Lage."
Der rote Grande vergleicht die gegenwärtige Situation, knapp ein Jahr vor dem nächsten regulären Wahltermin, wie einen "Boxkampf in der zwölften Runde, wo beide die Hände nicht mehr nach oben bekommen, keine Maßnahmen mehr gesetzt werden und jeder nur noch auf den Schlussgong wartet. Und der ist der Oktober 2024".
"Da fehlt es an Gespür"
Auf wenig Gegenliebe stößt bei ihm auch das Konzept des regional-gestaffelten Klimabonus. Es sei "nicht gerecht, dass eine Pflegekraft gleich viel bekommt wie ich als Landeshauptmann", sagt Doskozil. Auch hier kritisiert er den politischen Zugang von Leonore Gewessler: "Es ist einfach, eine schnelle Schlagzeile zu produzieren, aber der Klimabonus ist inhaltlich nicht durchdacht. Da fehlt es an Gespür." Man müsse laut dem Landeschef "eine soziale Staffelung viel intensiver betonen – wir machen das im Burgenland bei den Gehältern. Je höher die Inflation steigt, je mehr das tagtägliche Leben kostet, umso schwieriger wird es für die unteren Einkommen". Das gehe "immer mehr in den Mittelstand hinein".
Ungarn wollen kein Wasser zuleiten
Der seichte Neusiedler See "bereitet mir natürlich Sorgen", gesteht er ein, "weil ich weiß, was im nördlichen Burgenland alles vom Neusiedler See abhängt". Doskozil: "Natürlich werden wir es trotz all unserer burgenländischen Maßnahmen nicht schaffen, dass es nicht mehr so heiß ist im Sommer. Daher müssen wir eine Zuleitung zum Neusiedler See schaffen – vorzugsweise von der Donau, da ich in Gesprächen mit Vertretern der ungarischen Regierung erkannt habe, dass es nicht gewollt ist, Wasser von Ungarn nach Österreich zu bringen."
Hinsichtlich Donau-Zuleitung gebe es "eine Arbeitsgruppe mit dem Landwirtschaftsministerium". Wie das läuft? "Wenn sie motivierter wäre, wäre ich sehr glücklich." Bei der Frage, wie grün er selbst ist, sorgt Doskozil für einen Lacher. Seine Antwort: "Ich bin extrem grün. Grün begleitet mich mein Leben lang. Ich hoffe, dass ich erleben darf, dass sie irgendwann wieder österreichischer Meister werden."
Er spricht von Rapid Wien. Gut vorstellbar also, dass die Klimawende im Burgenland früher herstellbar ist ...