9,5 Millionen Tage im Jahr
Diese Krankheit sorgt für die meisten Krankenstände
Wegen rheumatischer Erkrankungen kommen hierzulande jährlich 9,5 Millionen Krankenstandtage zusammen und sind der zweithäufigste Frühpensionsgrund.
Rund fünf Prozent der Weltbevölkerung leidet an einer entzündlichen rheumatischen Erkrankung. In Österreich gibt es rund 300.000 Betroffene. Diese Betroffenengruppe ist es auch, die die meisten Krankenstände im Jahr aufweist, nämlich 9,5 Millionen Tage. Außerdem ist Rheuma der zweithäufigste Grund für Frühpensionierungen, hieß es im Vorfeld der bevorstehenden Jahrestagung der European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR) in Wien.
Keine "Alte-Leute-Krankheit"
Rheuma ist nicht einfach nur eine Gelenkerkrankung, sondern betrifft den ganzen Körper, weshalb man von einer Systemerkrankung spricht, die auch lebenswichtige Organe beeinträchtigen und irreversibel zerstören kann. Dass es eine "Alte-Leute-Krankheit" ist, ist ein Mythos, denn es kann jeden Menschen in jedem Alter treffen. "Die Krankheit betrifft Menschen ihr Leben lang", sagte Helga Lechner-Rader von der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie (ÖGR). Nehme man das degenerative, also das "Abnutzungsrheuma" hinzu, sei die Zahl der Erkrankten wesentlich höher als 300.000, so Lechner-Rader.
Rheuma ist ein Überbegriff für mehr als 100 verschiedene Erkrankungen. Sie alle äußern sich in chronischen Schmerzen, können aber ganz unterschiedliche Körperteile betreffen und werden in 4 Hauptgruppen unterteilen: 1. Entzündlich-rheumatische Erkrankungen (z. B. Rheumatoide Arthritis), 2. Degenerativ-rheumatische Erkrankungen (Arthrose), 3. Chronische Schmerzsyndrome des Bewegungsapparates (Fibromyalgie, Rückenscherzen), 4. Stoffwechselerkrankungen mit rheumatischen Beschwerden (Osteoporose, Gicht)
Rheuma erhöht Komorbiditäten
Zudem gibt es Komorbiditäten: Patienten mit rheumatoider Arthritis haben ein bis zu 63 Prozent höheres Risiko für einen Herzinfarkt als in der Vergleichspopulation; an Rheuma erkrankte Menschen, die einen Tumor entwickeln, sterben früher als Tumorpatienten, die nicht an Rheuma leiden, erläuterte Lechner-Rader. "Dieser Mortality Gap (Sterblichkeitslücke, Anm.) ist noch viel höher ausgeprägt bei Jüngeren und bei Frauen", erklärte sie. "Frühe Diagnose und adäquate Behandlung sind daher unerlässlich, um die Belastung für den einzelnen Patienten, als auch für die Gesellschaft im Allgemeinen, zu verringern", sagte Lechner-Radner.
Bevorstehende Pensionswelle bei Rheumatologen
ÖGR-Präsidentin Valerie Nell-Duxneuner warnte vor einer Pensionierungswelle bei den Fachärzten. Derzeit stehen für die rund 300.000 Rheuma-Patienten nur knapp 300 Rheumatologen zur Verfügung und in den nächsten zehn Jahren werden 40 Prozent der Rheuma-Spezialisten in Pension gehen.
Verbesserte Behandlung
Die Behandlung der Systemerkrankung wird währenddessen immer besser – nicht zuletzt auch aufgrund österreichischer Beteiligung. "An den Meilensteinen der Forschung sind österreichische Wissenschafter maßgeblich beteiligt", sagte EULAR-Präsident Daniel Aletaha.
"Vor 27 Jahren hat es eine Handvoll Medikamente gegeben, die wir bei chronischen rheumatischen Erkrankungen eingesetzt haben", resümierte Aletaha. Doch die vergangenen 20 Jahre hätten enorm viele Fortschritte gebracht, vor allem aus Österreich. "So stammen beispielsweise wegweisende und international angewandte Richtlinien zu Diagnostik und Management von bestimmten rheumatischen Erkrankungen aus österreichischer Feder." Weiters könnten durch österreichische Arbeiten zum Thema Früherkennung und rechtzeitiger Behandlung Erkrankungen rascher erkannt und behandelt werden und somit irreversible Schäden für Patienten abgewandt werden.
Mittels KI zur Rheumadiagnose?
Im Hinblick auf den bevorstehenden zahlenmäßigen Rückgang an Rheuma-Ärzten könnten "self-monitoring Tools" die verbleibenden entlasten, meinte Aletaha. Beispielsweise könne eine symptomatische Person ein Foto von ihren Händen machen. Eine App würde das Foto analysieren und bei der Diagnose unterstützen.
Auf den Punkt gebracht
- Rheuma ist eine entzündliche rheumatische Erkrankung, von der weltweit rund 5 Prozent der Bevölkerung betroffen sind
- In Österreich gibt es etwa 300.000 Betroffene, die die meisten Krankenstände verursachen
- Die Krankheit betrifft den ganzen Körper und kann lebenswichtige Organe beeinträchtigen
- Die frühzeitige Diagnose und angemessene Behandlung sind entscheidend, um die Belastung für die Patienten und die Gesellschaft zu verringern
- Es wird auch vor einer bevorstehenden Pensionierungswelle bei Rheumatologen gewarnt, während die Behandlungsmöglichkeiten dank österreichischer Forschung immer besser werden
- Es wird sogar diskutiert, ob KI-Tools zur Rheumadiagnose eingesetzt werden könnten