Politik

"Die Zeit läuft ab" – dringende Warnung an Regierung

Österreichs Wissenschaft mahnt, dass es einen raschen Ausstieg aus fossilen Energiequellen braucht. Die Forscher räumen auch mit der Erdgas-Lüge auf.

Roman Palman
Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) fahren eine Politik "bar jeder wissenschaftlicher Grundlage und Vernunft".
Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) fahren eine Politik "bar jeder wissenschaftlicher Grundlage und Vernunft".
ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

Mit ungewöhnlich deutlichen Worten haben sich am Mittwoch nun auch die österreichischen Universitäten zu Wort gemeldet, um auf die enormen Gefahren durch Klima- und Biodiversitätskrise und das erschreckende Fehlen angemessener Gegenmaßnahmen aufmerksam zu machen.

"Angesichts der Dramatik des Klimawandels und der verheerenden Auswirkungen, die uns allen drohen, braucht es ein radikales und sofortiges Umdenken", betont Sabine Seidler, Präsidentin der österreichischen Universitätenkonferenz (uniko). "Die Faktenlage ist erdrückend. Konkrete Vorschläge und Lösungsansätze liegen am Tisch. Es müssen nun endlich Taten folgen."

Die Universitäten solidarisieren sich damit mit den mehr als 150 österreichischen Wissenschaftern der "Scientists for Future Österreich"-Bewegung, die sich gegen ein Festhalten am klimaschädlichen Erdgas mobilisiert haben.

85 mal klimaschädlicher als CO2

Erdgas besteht im Wesentlichen aus Methan, einem besonders starken Treibhausgas, und ist den Forschern zufolge über einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren etwa 85 mal klimaschädlicher als CO2. Obwohl Erdgas bei der Verbrennung in CO2 und Wasser umgewandelt wird, entweichen erhebliche Mengen von reinem Methan bei der Förderung und dem Transport von Erdgas in die Atmosphäre.

Die Forderung der "Letzten Generation" zu Tempo 100 im Faktencheck. Quelle: Umweltbundesamt
Die Forderung der "Letzten Generation" zu Tempo 100 im Faktencheck. Quelle: Umweltbundesamt
APA-Grafik / picturedesk.com

In ihrer "Stellungnahme der Wissenschaft zur europäischen Erdgaspolitik" warnen die "Scientists for Future", dass Erdgas nicht die vielfach angepriesene Brückentechnologie im Zuge der Energiewende sein kann. "Berücksichtigt man die Methan-Verluste und Emissionen beim Transport, so ist Erdgas ähnlich klimaschädlich wie Kohle", kritisieren die Forscher.

"Blindes Festhalten an alten Ideologien"

Das politische Festhalten an fossilem Erdgas sei "bar jeder wissenschaftlicher Grundlage und Vernunft" und könne nur durch "blindes Festhalten an alten Ideologien" erklärt werden. 

Professor für Klimapolitik an der Wiener Universität für Bodenkultur, Reinhard Steurer, während einer Stellungnahme der "Scientists for Future Österreich".
Professor für Klimapolitik an der Wiener Universität für Bodenkultur, Reinhard Steurer, während einer Stellungnahme der "Scientists for Future Österreich".
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Denn: für die Stabilisierung des Klimas müssten die Emissionen schnellstmöglich auf Null gesenkt werden. "Damit ist auch klar, dass Erdgas keine Brücke in die Zukunft darstellt, sondern ein Teil der fossilen Vergangenheit und Gegenwart ist, die wir dringend überwinden müssen."

Die Zeit läuft ab.
Scientists for Future

Schon in wenigen Jahren werde die Welt über das 1,5-Grad-Ziel hinausgeschossen sein und jedes weitere Zehntel Grad bringe die Stabilität des Klimas weiter in Gefahr. 

Die Wissenschaftler mahnen eindringlich: "Ein stabiles Klima ist das Fundament unserer Zivilisation. Ein instabiles Klima bringt sie auf vielfache Weise durch Verteilungskämpfe, Flucht und Krieg ins Wanken und irgendwann zum Einsturz. Unser Handeln in den nächsten Jahren entscheidet, wie groß diese Gefahr für unsere Kinder, Enkelkinder und alle weiteren Generationen sein wird."

Mit Klima-Ausrede ausgeräumt
"Aber China pustet viel mehr CO2 in die Luft, das kleine Österreich ist nur für 0,2 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Wenn wir was machen, bringt es ja kaum was!" – diese Ausrede ist, sinngemäß, in diesen Wochen öfter von Politikern zu hören, besonders VP-Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm hatte bei diversen TV-Auftritten daran sichtlich Gefallen gefunden. 
Die Antwort darauf: Aufsummiert stimmt das, doch pro Kopf gemessen war der Treibhausgas-Ausstoß (THG) der Österreicher in vergangenen Jahren sogar deutlich höher als der der Chinesen.
Im 2. Corona-Jahr 2021 waren es in Österreich dann mit 7,24t weniger als in China (8,05t). Beide Länder sind aber deutlich über dem weltweiten Schnitt, der bei 4,7t pro Kopf liegt.
Quelle: Statista / Global Carbon Atlas

Meinung
Alle – wir, wie auch die Chinesen – sollen und müssen jetzt die Emissionen reduzieren. Jedes bisschen hilft, auf andere mit dem Finger zeigen aber nicht.
Im Jetzt Maßnahmen zu gestalten, die weit genug gehen würden, um auch die gesetzten Klimaziele zu erreichen, ist aktuell aber nicht Teil der ÖVP-Politik. Stattdessen fallen Floskeln wie "auf Innovation setzen" und "Klimaschutz made in Austria" als Vorbild für die Welt.
Leider sind das leere Worthülsen, die den türkisen Unwillen zu Maßnahmen, die womöglich das Parteiklientel verärgern könnten, und die daraus folgende Untätigkeit kaschieren sollen.
– rcp

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