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Die kurze Rückkehr in die Inuit-Geisterstadt

Jahrhundertelang lebte eine Gruppe der Inupiat an einem der unwohnlichsten Orte der Welt: King Island. Dann wurde die Schule geschlossen.

Heute Redaktion
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Die Inupiat lebten schon seit Jahrhunderten an den steilen Klippen von King Island, doch 1959 beschloss das Bureau of Indian Affairs (eine US-Abteilung, die sich auch um Indianer und Reservate kümmerte) die einzige Schule im Ort zu schließen.

Angst vor Steinschlägen

Das lag aber nicht an mangelnden Schülerzahlen oder an der Kurzsichtigkeit der Amerikaner, sondern vor allem an einem großen Felsen, von dem befürchtet wurde, er könnte die Schule unter sich begraben. Als die Kinder keine Schule mehr hatten, waren die Bewohner gezwungen, auf das Festland zu ziehen, um den Kindern weiterhin eine Bildung zu ermöglichen.

Ein Teil der Bewohner, vor allem kinderlose Paare und Alleinstehende, blieben auf King Island und überlebten durch die Walrossjagd und die wenigen essbaren Pflanzen, die in dieser unwirtlichen Gegend wachsen. Je älter die Bewohner wurden, desto weniger konnten sie für sich selbst sorgen. Die letzten Einheimischen verließen die Insel 1970.

Weit, weit weg

King Island liegt im Beringmeer, knapp 64 Kilometer westlich vom Festland von Alaska entfernt. Sie besteht hauptsächlich aus einem knapp 200 Meter hohen und 2,5 Kilometer langen Felsen. Sie wurde 1778 von James Cook entdeckt und nach seinem Leutnant James King benannt.

Es gibt 45 Häuser, eine katholische Kirche und das vom Steinschlag bedrohte Schulgebäude auf der Insel – das immer noch steht. Der Steinschlag ist nie eingetreten und die Häuser verfallen nun nach und nach aufgrund der harschen Witterung.

Bemühungen zur Rückkehr

Im Sommer 2015 begann die alaskische Dichterin und Tochter eines Inupiat, Joan Naviyuk Kane, Geld zu sammeln, um der Generation ihrer Eltern eine Möglichkeit zu geben, ihre Heimat wiederzusehen. Die Insel ist sehr schwer zu erreichen: Es gibt keinen Ort, an dem ein Flugzeug landen könnte, und keinen Strand, um mit einem normalen Boot anzulegen.

Eine Möglichkeit sind die Boote der Krabbenfischer, mit denen jedoch die Reise nach King Island bis zu zwölf Stunden dauert. Und doch: Joan sammelte über 40'000 Dollar und ermöglichte so einer Gruppe Inuit einen zweiwöchigen Aufenthalt an dem Ort, an dem sie groß geworden waren und den sie so plötzlich verlassen mussten.

Das war auch für Joan wichtig: Sie konnte das Haus sehen, in dem ihre Mutter aufgewachsen war, und ihr Vater und ihre Geschwister konnten das Haus ihrer Kindheit besuchen. "Ich konnte noch einmal die Insel riechen, von den örtlichen Himbeeren essen und den Vögeln lauschen. Es war wunderbar", sagte Joan gegenüber Medien.

(Red)