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"Der Speibkübel steht direkt neben dem Pool"

Felix Auböck ist Weltmeister in einer Weltsportart. Vor der Schwimm-WM spricht er in "Heute" über Flossen, Rapid und einen nicht befolgten Rogan-Rat.

Martin Huber
Felix Auböck: "Gold ist ist wie eine Schutzhülle für mich."
Felix Auböck: "Gold ist ist wie eine Schutzhülle für mich."
GEPA

Das stille Wasser aus Bad Vöslau! Felix Auböck ist Weltmeister in einer Weltsportart. Der 26-jährige Niederösterreicher schwamm 2021 in Abu Dhabi über 400 Meter Freistil zu Gold. In Österreich krault Auböck viel zu oft unter dem Radar. Dabei hat er viel zu erzählen. "Heute" bat den Ausnahme Athleten vor der Schwimm-WM in Fukuoka (JAP, ab 14. Juli) zum Interview.

„Heute“: Schwimmer sind berüchtigt als harte Hunde. Geben Sie uns Einblick in Ihren Trainingsalltag?

Auböck: "Beim Schwimmen sind die Trainingsumfänge enorm. Darum stehe ich um 5.30 Uhr auf, das Aufwärmen beginnt um 6.10 Uhr, um 6.45 Uhr springe ich ins Wasser. Für zwei oder zweieinhalb Stunden. Danach stehen noch ein- bis eineinhalb Stunden Krafttraining am Programm. Gegen elf Uhr bin ich fertig."

Stimmt es, dass Sie dann für die Uni lernen?

"Ja. Ich esse zu Hause, ruhe mich aus und mache etwas für die Uni. Das ist nicht immer einfach. Weil die Müdigkeit an manchen Tagen einen Einfluss auf die Konzentration hat. Ich habe den Bachelor und Master in Politikwissenschaften. Es ist die Liebe zum Fach, die mich antreibt. Am Nachmittag geht es dann wieder in den Pool. Da trainiere ich zwei Stunden, die aber intensiv – mit Renngeschwindigkeit."

"Es geht darum, so lange wie möglich zu beißen"

Wie brutal ist das?

"Wir schießen uns komplett ab. Es geht darum, so lange wie möglich zu beißen. Der Speibkübel steht direkt neben dem Pool parat. Ich bin einer, der sich nicht so oft übergibt. Bei einigen Teamkollegen ist das anders. Das Training in der Früh ist dafür komplett aerob, also weniger intensiv. Sonst würde der menschliche Körper die hohen Umfänge nicht aushalten."

Wieviele Kilometer schwimmen Sie pro Woche?

"75 Kilometer, zehn Mal 7,5 Kilometer. Am Samstag trainiere ich bis Mittag, Sonntag habe ich frei. Es gibt dieses Vorurteil, dass Schwimmer nur die Kacheln im Becken zählen. Das ist nicht der Fall. Das geht auf dem Level nicht. Schwimmen ist extrem technisch. Es geht darum, bei hoher Belastung den Fokus zu behalten und gleichzeitig locker zu bleiben. Das wird von Sekunde zu Sekunde schwieriger."

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    Österreichs Schwimm-Star Felix Auböck. Die größten Erfolge des Weltmeisters aus Bad Vöslau.
    Österreichs Schwimm-Star Felix Auböck. Die größten Erfolge des Weltmeisters aus Bad Vöslau.
    Gepa

    Felix Auböck begann mit 4 Jahren zu schwimmen, mit 14 wechselt der Junge aus Bad Vöslau vom Leistungszentrum Südstadt nach Berlin. Nach Olympia 2016 in Rio erhält er ein vierjähriges Vollstipendium an der University of Michigan, wo auch Michael Phelps (49 Goldmedaillen bei WM und Olympia) vier Jahre schwamm und studierte. Aktuell trainiert Auböck in Loughborough in England, wo er nicht nur im Pool Titel sammelt. Im Dezember 2022 schloss er den Master in Politikwissenschaften ab.

    Sie sind Weltmeister und Student. Warum geht das als Schwimmer – nicht aber als Fußballer oder Tennisprofi?

    "Es wäre auch als Fußball- oder Tennisprofi möglich, beides zu vereinbaren. Als Schwimmer weißt du, dass nach der aktiven Karriere oder oft auch schon während dieser das Geld nicht ausreicht. Schwimmer sind extrem diszipliniert. Darum sind sie später auch oft im Beruf sehr erfolgreich. Es gibt einige Beispiele, wo Schwimmer im zweiten Beruf extrem viel Geld verdienen. Ich sehe mich aktuell als Vollzeit-Athlet und Teilzeit-Student."

    Was ist das Thema Ihrer Doktorarbeit?

    "Es geht um deutsche Außenpolitik, die deutsche Kampagne in Afghanistan – von 2001 bis 2021. Ich betrachte das Thema aus militärischer und wirtschaftlicher Perspektive, aber auch auf diplomatischer Ebene und in Sachen Entwicklungshilfe."

    "Der größte Schritt war von Österreich nach Deutschland"

    Für WM-Gold erhielten Sie 15.000 Euro. Top-Kicker in England verdienen das Dreifache an einem Tag. Stört Sie das?

    "Nein. 15.000 Euro waren für mich als Student sehr viel Geld. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich finanziell vom ÖOC und OSV unterstützt werde. Auch einen privaten Sponsor habe ich. Ich bin zufrieden. Mein Weg hat dazu geführt, dass ich studiere, in die USA gehe und jetzt in England bin."

    Bad Vöslau, Berlin, Michigan, Loughborough: Wie hat Sie das als Person geprägt?  

    "Ich habe mich geändert. Ich denke, ich bin weltoffener geworden. Kommt man wohin, ist man ja derjenige, der anders ist. Ich wurde immer wieder aus der Komfortzone geholt. Der größte Schritt war von Österreich nach Deutschland."

    Was fehlte Ihnen in Österreich?

    "Es gibt genug Talente und Schwimmer. Die Frage ist, was macht man daraus. Gute Schwimmer kommen oft aus der Region, wo es Hallen gibt. Mit meinem Schritt nach Deutschland war ich plötzlich nur die Nummer vier oder fünf im Team. Ich habe mit Leuten trainiert, die bei Olympia am Podest standen. Mit 16, 17 da mitzuschwimmen, das macht etwas mit einem. In Österreich gibt es diese Konstellation in nicht vielen Sportarten. Oft setzen sich die Individualisten durch."

    In Deutschland stand sogar ein Nationenwechsel von Ihnen im Raum. 

    "Es gab das Angebot. Ich habe es persönlich nie in Betracht gezogen und mir diese Frage auch nicht gestellt."

    Fühlen Sie sich in Österreich wie ein großer Fisch in einem kleinen Teich?

    "Ja, irgendwie schon. Ich bin stolz Österreich zu vertreten und das Land auf die Schwimm-Weltkarte zu heben."

    Auböck: "Ich kann unglaublich hart zu mir selbst sein." 
    Auböck: "Ich kann unglaublich hart zu mir selbst sein." 
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    "Ich habe mir den Rat von Rogan nicht zu Herzen genommen"

    Auböck hat „Ear breeze“ als Sponsor. Ein heimisches Start-up, das mit einem Ohr-Föhn Ohrentzündungen verhindert. In seinem Heimatort Bad Vöslau ist der 1,97-Meter-Riese nur zwei Mal im Jahr: zu Weihnachten und im Sommer nach der Saison. Als Neunjähriger erlebt er dort WM-Gold von Markus Rogan vor dem Fernseher. Das hatte Folgen.

    Sie haben sich als Kind von Markus Rogan Autogramme geholt. Nach WM-Gold wünschte er Ihnen mehr Arroganz. "Um das zu bekommen, was dir zusteht!", meinte er. Haben Sie sich den Tipp zu Herzen genommen?

    "Ich habe nicht darüber nachgedacht und mir den Rat auch nicht zu Herzen genommen. Das Tolle ist, als Person hat WM-Gold nicht viel verändert für mich. Ich habe ein System, das funktioniert."

    Welches System?

    "Ich habe als Kind jedes Schwimm-Finale im Fernsehen geschaut. Jetzt bin ich dort selbst dabei, schwimme um Medaillen. Das ist surreal. Es probieren so viele und schaffen so wenige in einer Weltsportart. Mir hat der Sport schon so viel gegeben. Ein vierter Platz tut mir weh. Aber nicht mehr so, weil es einmal schon anders war. Gold ist wie eine Schutzhülle für mich."

    Was ist Ihre größte Stärke?

    "Ich kann unglaublich hart zu mir selbst sein. Ich bin extrem konstant. Ich verstehe meinen Körper und habe viel Verständnis für das Schwimmen. Mittlerweile hilft mir die Erfahrung, ich bin aktuell der Älteste in den Finalläufen. Meine größte Stärke ist aber sicher die Liebe zum Sport. Bei vielen Kollegen ist das anders. Sie schwimmen, weil sie gut darin sind, nicht weil sie Spaß empfinden. Das harte Training reduziert nämlich den Spaß."

    Loughborough liegt zwischen Leicester und Newcastle. Auböcks Wohnung ist zehn Minuten vom Uni-Campus entfernt. Er lebt dort mit Freundin Catie DeLoof, US-Schwimmerin und Olympia-Dritte. Ein Team von sieben Leuten betreut den Schwimmer Auböck: Cheftrainer Andi Manley, zwei Psychologen, ein Biomechaniker, ein Physiotherapeut, ein Masseur und ein Physiologe, der bei den Trainings ständig die Blutwerte überprüft.

    An was feilen Sie wenige Tage vor dem Start der Schwimm-WM?

    "Sieben Leute sind in meinem Betreuerteam. Trainer Andi Manley ist derjenige, der alle Teilbereiche miteinander vernetzt. Ich arbeite mit zwei Psychologen ein bis zwei Mal pro Woche. Wir imitieren den Tag X, tun alles, um am Tag des WM-Finals am besten zu sein."

    "Das ist hochtechnisch – wie in der Formel 1"

    Wie läuft das im Detail ab?

    "Wir reden ständig darüber, um am wichtigsten Tag nicht überfordert zu sein. Es geht auch darum, das sportliche und das private Leben zu trennen. Wenn beides läuft, ist eh alles gut. Wenn eine Seite schlecht ist, sollte sie die andere nicht negativ beeinflussen."

    Trainer Andi Manley: "Er ist derjenige, der alles vernetzt."
    Trainer Andi Manley: "Er ist derjenige, der alles vernetzt."
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    Welche Aufgabe hat der Biomechaniker?

    "Es geht darum, dass ich mit meiner Technik im Wasser möglichst wenig Widerstand biete. Das ist Physik – hochtechnisch wie in der Formel 1. Dort geht es um den Luftstrom. Bei uns ist das komplex, weil sich der menschliche Körper im Wasser im Gegensatz zum Fomel-1-Boliden ja ständig in alle Richtungen bewegt."

    Speziell an der Wende tüftelten Sie zuletzt.

    "Ja. Bei der Wende nützt der untergetauchte Körper das Wasser, um Geschwindigkeit zu erzeugen. Ich habe diese Bewegung Hunderttausende Mal automatisiert, umso schwieriger ist es, diese Technik zu ändern.“

    Sie haben Schuhgröße 48 – wie Michael Phelps. Ginge es auch mit 42?

    "Schuhgröße 48 hilft ungemein, weil große Füße wie Flossen wirken. Phelps lebte von seiner Beinarbeit. Ich bin anders. Ich bin gut im Verbinden, lebe von der guten Koordination zwischen Armen und Beinen, meinem Rhythmusgefühl."

    Auböck: "Ich bin ein Fan des Sports. Mir kommen die Tränen."
    Auböck: "Ich bin ein Fan des Sports. Mir kommen die Tränen."
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    Privat sitzt Auböck gerne mit Freunden zusammen. "So wie das Briten eben gerne tun.“ Er geht oft ins Kino. Mit seiner Heimat Bad Vöslau verbinden ihn "vor allem seine Eltern". Nach der WM ist Urlaub angesagt. Er wird auch dann schwimmen – "im Meer und ganz ohne Zeit". Jetzt zählt aber nur die WM.

    Wie ist Ihre Form vor der WM in Fukuoka?

    "Ich bin in der besten Form in diesem Jahr. Ich treffe auch bessere Entscheidungen als früher, kann aber noch die Umfänge wie mit 19 oder 20 Jahren trainieren. Noch spüre ich meinen Körper nicht. Das stimmt mich positiv."

    Haben Sie Sportler, die Sie inspirieren?

    "Nein. Ich bin ein Fan des Sports. Mich inspirieren Leistungen – und auch Emotionen. Mir kommen die Tränen, wenn ich sehe wie Langläufer, Radfahrer oder Marathonläufer über Stunden Qualen ertragen und dann endlich am Ziel sind."

    Sie leben zwischen Leicester und Newcastle. In welchem Fußball-Stadion trifft man Sie?

    "In England in keinem. Ich schaue Rugby, gehe zu den Leicester Tigers. Fußball interessiert mich nicht wirklich. Ich habe mir nicht einmal das Champions-League-Finale im Fernsehen angesehen. Eine Ausnahme gibt es aber: Wenn ich zu Hause bin, dann gehe ich zu Rapid."

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