Fussball
Demir Meister – wieder Ansturm auf Wien-Favoriten
Schon wieder Massen-Aufmärsche von türkischen Fans am Reumannplatz in Wien-Favoriten. Nach Erdogan wurde nun für Galatasaray gejubelt.
Wieder Geschrei, wieder Fahnen, wieder jede Menge Polizei am Wiener Reumannplatz in Favoriten: Nein, am späten Dienstagabend gab es keine Wiederholung der Jubelszenen für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, dieses Mal feierten die Austro-Türken ihren neuen Fußballmeister Galatasaray Istanbul.
Yusuf Meister mit "Gala"
Der Klub von Ex-Rapidler Yusuf Demir sicherte sich am Dienstagabend in der 34. Runde der türkischen Süper Lig den Meistertitel. Mit dem 4:1-Sieg bei Ankaragücü machte der Klub aus der Hauptstadt Istanbul im Fernduell mit Stadtrivale Fenerbahce Istanbul alles klar.
"Gala" feiert den 23. Titel der Klubgeschichte. Zuletzt mussten die Fans drei Jahre auf einen Titel in der türkischen Meisterschaft warten. Dementsprechend ausgelassen ist die Stimmung auch auf den Straßen Wiens.
ÖFB-Legionär Demir stand nicht im Kader. Sein Wechsel zu Galatasaray Istanbul sollte sich nach dem Abenteuer beim FC Barcelona und der durchwachsenen Rückkehr zum SK Rapid bisher als sportlicher Rückschlag entpuppen. Mit lediglich 66 Minuten Einsatzzeit hat der 19-Jährige einen geringen Anteil am Titel.
Rapid kassierte im Sommer 2022 stolze sechs Millionen Euro Ablöse für den offensiven Wirbelwind. Aber: Im Kader von Galatasaray war an bekannten Superstars wie Dries Mertens, Juan Mata, Milot Rashica oder Nicolo Zaniolo kein Vorbeikommen in offensiven Mittelfeld.
Erdogan-Fans fluteten Straßen
Türkei-Staatsoberhaupt Erdogan setzte sich am Sonntag in der Stichwahl durch, behält sein Amt. Im knappen Rennen um die Präsidentschaft gaben auch die Stimmen vieler wahlberechtigter Auslandstürken den Ausschlag zugunsten Erdogans.
Rund drei Viertel der in Österreich lebenden Türken stimmten für den Amtsinhaber.
Nach dem Wahlsieg strömten Anhänger auf die Straßen. Besonders rund um den Reumannplatz in Wien-Favoriten kam es zu Straßenblockaden, Autokorsos, "Allahu akbar"-Geschrei und auch dem Zeigen verbotener Symbole wie dem Wolfsgruß. Erst um Mitternacht beruhigte sich die Lage.
Das sorgt hierzulande für kritische Stimmen. International wird Erdogan oft als Autokrat gesehen, der die ganze Macht für sich anhäuft, während die Wirtschaft und die Bevölkerung in der Türkei unter der Politik leiden. Warum hat Erdogan ausgerechnet im Ausland so viel Zuspruch? Ein Experte klärte nun auf.
Experte über Erdogan-Zuspruch
Der in der Türkei geborene Soziologe Kenan Güngör war am Dienstagabend zu Gast bei ORF-Moderator Martin Thür in der "ZIB2". Es gebe zwei zentrale Faktoren für das Phänomen, so Güngör, einer habe mit der Arbeitsmigration der 60er-Jahre zu tun. Damals seien Menschen mit konservativen Einstellungen aus ländlichen Regionen gekommen, die Erdogan zusprechen würden. Der andere habe mit den türkischen Medien zu tun, die positive Einheitsmeldungen über Erdogan in die Haushalte spielen würden. Was der Experte auch sagte: Es gebe eine "Überfokussierung" auf die "200, 300 oder 600" Personen, die nach Erdogans Wahlsieg am Reumannplatz aufmarschiert sind.
Es sei völlig naheliegend, dass, wenn ein Partei oder ein Fußballverein gewonnen habe, Menschen auf die Straße gehen und feiern würden. Das Problem sei aber, dass diese Menschen das nicht für die Demokratie tun würden, sondern für ein autoritäres System. "Allahu akbar"-Rufe, das "kann man in der Moschee machen von mir aus", so der Experte, aber wenn man das auf offener Straße mache, "dann ist das schon ein Statement". Seine Abrechnung mit den Betroffenen: Es seien zum Teil "Gefangene", beeinflusst von der Ideologie der Eltern ebenso wie von den Medien in der Türkei. Es entstehe ein Islamismus, der zusammenwachse, da entwickle sich ein problematisches Milieu, so Güngör.