Spieletests
"Death Stranding Director’s Cut im Test": Gigantomanie
Das gigantische PS4-Game-Epos "Death Stranding" wird noch größer, denn der "Director’s Cut" für PS5 sprengt sämtliche Grenzen. Zu viel des Guten?
Für "Metal Gear"-Legende und Entwickler-Größe Hideo Kojima kann es einfach nicht groß genug sein. Schon "Death Stranding" auf der PlayStation 4 war ein Open-World-Action-Adventure, das sich an keine Spiel-Konventionen hielt und mit ausführlichen Videosequenzen und noch ausführlicheren Gameplay-Kapiteln schnell Richtung der 100 Spielstunden schoss. Wer die Platin-Trophäe abstauben wollte, musste sich noch einmal Dutzende Stunden mehr ransetzen.
Nun bekommt das Game mit "Death Stranding Director’s Cut" auch eine neue Version für die neue PlayStation 5. Gut zu wissen für jene, die sich jetzt fragen, ob sie sich beide Versionen holen sollen: Der "Director's Cut" verändert die Handlung des Games nicht und auch spielerisch ist alles fast genauso beim Alten. Einzig einige neue Items, Waffen, Bauwerke und Fahrzeuge kommen ins Spiel. Gigantomanie, könnte man sagen, denn schon in der PS4-Version war die Auswahl gewaltig.
In erster Linie schneller und schöner
In erster und sofort merkbarer Linien ist die PS5 Version schneller und schöner. Ladezeiten gibt es durch die PlayStation 5 so gut wie keine mehr. Einzig bei ganz aufwendigen Szenenwechseln wie den Fragile-Sprüngen schaut man zwei, drei Sekunden auf einen Ladebildschirm. Wartezeiten sind auch weg, denn nun lassen sich außerdem Videosequenzen im Spiel durchgängig abbrechen und überspringen - das war im Original nur bedingt bei bestimmten Cutscenes möglich.
Grafisch gibt es nun durch zwei Grafik-Modi natives 4K und 60 FPS, allerdings nur entweder oder. Dafür ist auch die Unterstützung für HDR und Ultrabereitbild in beiden Modi mit an Bord. Das alles kann sich sehen lassen: Das Spiel läuft noch ein Stück flüssiger, vor allem die Figuren und Gesichter zeigen fast fotorealistische Details und die Licht-Effekte sind bombastisch. Besonders detailliert fällt auch das Wetter aus, egal ob Sonnenschein, Regen oder Schneefall. Sehenswert!
Jeder Schritt fühlt sich nun "echt" an
Cool gemacht ist die Einbeziehung des neuen DualSense-Controllers. Beim Steuern von Fahrzeugen und beim Schießen kommt die adaptiven Trigger-Tasten mit ihrem Widerstands-Feedback zum Einsatz. Das macht endlich auch die Feuergefechte, können sie mal nicht vermieden werden, realistischer. Auch zum Staunen ist das haptische Feedback auf verschiedenen Untergründen wie Schlamm oder Schnee, jeder Schritt lässt sich durch detaillierte Vibrationen fühlen.
Der Controller spielt auch je nach Untergrund passend eine neue Geräusch-Kulisse aus: Stapft unser Protagonist Sam Porter durch vom Regen aufgeweichte Erde, schmatzt der Schlamm unter den Stiefeln. Ist es Schnee, knirscht es unter den Füßen, dass es eine Freude ist. Eines behebt aber auch der "Director's Cut" nicht: Mit manchen Fahrzeugen wird das Manövrieren zur Geduldsprobe, da jeder Hügel und jeder Stein das Bike oder den Wagen aus der Bahn werfen kann.
Neue Missionen als Beschäftigungstherapie
Die neue Spielversion macht auch einige neue Missionen zugänglich. An den Hauptkapiteln des Games und dem Ablauf, wenn man nur dem Hauptstrang der Aufgaben folgt, ändert sich indes nichts. Und die neuen Aufgaben sind auf lange Sicht gesehen eher Beschäftigungstherapie denn wirkliche Innovationen. Besser fallen die wirklich Story-getriebenen Missionen aus, die gleich zum Start in der Verbrennungsfabrik beginnen, zu der man recht schnell Zugang hat, und sich fortsetzen.
Die neuen Missionen stehen auch im starken Kontrast zum sonstigen Game. Während sich die bekannten Missionen nämlich meist menschenleer zeigen, wimmelt es in den Nebenmissionen mitunter geradezu vor menschlichen Feinden, die man entweder umschleichen, lautlos ausschalten oder mit Getöse bekämpfen kann. "Metal Gear" lässt dabei nicht nur vom Design der Missions-Schauplätze, sondern auch der Vorgangsweise und bei einigen neuen Easter Eggs im Spiel grüßen.
Witzige neue Ausrüstung verfügbar
Allzu ausführlich fallen diese neuen Story-Missionen allerdings nicht aus, sie lassen sich wohl in rund fünf bis sechs Stunden absolvieren. Abseits davon gibt es mehr vom Altbekannten: Neue Lieferaufträge, die uns der NPC Die-Hardman zuteilt, schalten bei der Erfüllung die neuen Ausrüstungsgegenstände des Spiels frei. Diese lässt sich unter dem Stichwort Liefererleichterungen zusammenfassen, was vor allem Anfänger besser auf die Sprünge helfen sollte.
Mit einem Frachtkatapult lassen sich Lieferungen einfach über weite Strecken katapultieren, ohne alles zu Fuß oder per Fahrzeug transportieren zu müssen. Damit die Waren dabei nicht beschädigt werden, werden sie vor dem Aufprall von Schubdüsen abgebremst. Praktisch ist auch ein neuer Bot, der Waren auflädt und Sam dann auf Schritt und Tritt folgt. Der Rest ist Spielerei: Rampen für Sprünge und Tricks per Bike, ein Maser-Gewehr für Elektroschocks und Kung-Fu im Kampf.
Einmal gesehen und wieder abgehakt
Einmal gesehen und abgehakt waren im Testfall die neuen Möglichkeiten, Rennstrecken zu errichten und darauf Bestzeiten zu fahren sowie Schießtrainings in den Zentren mancher Verteilzentren absolvieren zu können. Beides führt zu Punktzahlen, die mit denen anderer Spieler in einem Ranglistensystem verglichen werden können, haben aber keinerlei Spiel-entscheidende Komponente. Auch bei diesen Inhalten fühlt es sich an, als hätte man die Spielzeit weiter strecken wollen.
Die besten Seiten zeigt der "Director's Cut" einerseits mit den paar neuen Story-Missionen, andererseits aber vor allem mit der Technik der PlayStation 5, die beeindruckend ausgenützt wird. Mit DualSense-Controller, blitzschnellen Ladezeiten und atemberaubender Grafik ist es die definitive Version, die man auf der PlayStation 5 spielen sollte. Da aber vieles auch einfach etwas aufgesetzt und gedehnt wirkt, verpassen Spieler der Originalversion nicht viel von der Handvoll Neuerungen.
In beiden Versionen ein Meisterwerk
"Death Stranding" ist und bleibt ein Meisterwerk, und wie wir im Original-Test gewertet haben, ein nie dagewesenes Erlebnis. Aber es ist auch eines, das nicht den Nerv der Durchschnittsspieler treffen wird. Wer nur kurz mal zwischendurch zockt, schnelle Erfolge auf der Couch erleben oder neue Highscores aufstellen will, der ist bei "Death Stranding" komplett falsch. Das Spiel erfordert Geduld, Zeit, Motivation – und vor allem den teils eisernen Willen, durchzuhalten.
Und damit auch Neulinge, die sich nicht durch den Original-Test lesen, wissen, um was es eigentlich geht: In "Death Stranding" existiert die Welt, wie wir es kennen, nicht mehr. Eine Katastrophe namens "Death Stranding", der "gestrandete Tod", hat die Welt zerrissen, die Menschen an den Rand der Ausrottung gebracht. Unser Protagonist soll die zersplitterten verbliebenen Städte der USA vereinen. Wie? Grob gefasst: Indem er sie an ein Netzwerk anschließt und mit Waren beliefert.
Die besten Version für Neueinsteiger
Auch wenn Sam Porter Bridges ein futuristischer Postbote ist, ist das Spiel so viel mehr als ein simpler Walking-Simulator. Einfach Ladung nehmen und los geht es? Weit gefehlt! Die Pakete können einzeln auf Sams Rückentragegestell, an seinen Schultern, Armen, Beinen und Hüften oder in einem Gefährt befestigt werden und durch verschiedenste Gefahren vom Zeitregen über Plünderer bis hin zu skurril verformten Wesen zwischen Leben und Tod sicher zum Zielort gebracht werden.
Und das Game geizt dabei nicht mit Gigantomanie, auch bei den offenen Fragen. Es dauert seine Zeit, bis man die verschiedenen Level-Systeme und Mechaniken sowie Videosequenzen und Darsteller von "Death Stranding" durchschaut hat. Skills, Fertig- und Fähigkeiten sind undurchsichtig und öffnen sich erst, wenn man sich mit ihnen beschäftigt. Das macht den Reiz von "Death Stranding" aus. Und "Death Stranding Director's Cut" ist die beste Version, das zu erleben.