Zu Besuch auf einer Klickfarm

Das dreckige Geschäft mit den Likes auf Insta & TikTok

Es ist die dunkle Seite des Influencer-Geschäftes. Für ein paar Dollar können im Internet tausende Likes gekauft werden. Aber wo kommen sie her?

Nick Wolfinger
Das dreckige Geschäft mit den Likes auf Insta & TikTok
Auf Clickfarmen in Ländern wie China oder Vietnam arbeiten junge Leute zu Billigstlöhnen, um für ihre Kunden Likes, Views und Kommentare zu generieren (Symbolbild)
PantherMedia / sameer mahadik

Wer an Farmen in Vietnam denkt, hat wohl eher Bilder von Reisfeldern im Kopf. Für sein neuestes Buch "Beggar's Honey" (zu deutsch etwa: „Des Bettlers Honig“) warf der Fotograf Jack Latham jedoch einen Blick auf die weniger bekannte Seite des Landes: Die Klick-Farmen, mit denen für Influencer im Westen Likes und Views für ihre Instagram-, TikTok- oder Youtube-Kanäle generiert werden. Denn: Reichweite bedeutet Geld. Pro tausend Clicks oder Likes erhält man von Werbepartnern einen bestimmten Betrag. Nicht wenige erliegen da schon mal der Verlockung, seiner eigenen Reichweite etwas nachzuhelfen.

Ein Pakt mit dem Teufel

Wer Content für die Sozialen Medien erstellt wird nicht lange warten müssen, bis er oder sie eine Nachricht wie diese im Posteingang findet: "Bist du interessiert, deinen Instagram-Account wachsen zu lassen?" – danach folgt eine Preisliste und das Versprechen, dass das ganze "zu 100 Prozent" sicher ist. "1.000 zufällige positive Kommentare 40$", "100.000 Views für 40$" oder "20.000 Follower: 150$" heißt es da etwa. Ein Pakt mit dem Teufel. Denn wer mit falschen Followern seine Reichweite pusht, um von Auftraggebern höhere Werbegebühren zu verlangen, begeht rechtlich gesehen Betrug – wenn man es beweisen kann.

Werbung einer Klickfarm
Werbung einer Klickfarm
Screenshot

Wie das Ganze funktioniert und wer dahintersteckt dürfte den meisten, die auf solche Angebote eingehen, egal sein. Doch dem britischen Fotografen Jack Latham war es das nicht. Er machte sich auf die Spur des Geldes und gelangte so nach China und Vietnam. Dort fand er einige der zwielichtigen Unternehmen, die diese Dienstleistungen anbieten – aber nur in Vietnam erhielt er von einem der "Unternehmer" die Erlaubnis, ihnen dabei über die Schulter zu blicken.

"Click-Farming" ist für die meist schlecht bezahlten jungen Arbeiter dort "ein ganz normaler Job". Manche Unternehmen sind "Familienbetriebe", andere werden geführt "wie Start-Ups im Silicon Valley", wo jemand Geld investiert und Leute anstellt, wie Latham gegenüber CNN erzählte. Wichtigste Voraussetzung für eine Klick-Farm sind niedrige Arbeits- und Stromkosten. Beides gibt es in Vietnam.

So funktioniert eine Klickfarm

Wer glaubt, da sitzt ein einziger genialer Hacker am Computer und produziert Millionen von Likes mit einem Mausclick, der täuscht sich. Tatsächlich müssen reale Geräte – oder zumindest reale Simkarten – verwendet werden. Entweder werden tausende Handys in Regalen aufgestellt und mit Strom und Internet verbunden und dann per Hand bedient – oder sie werden mit einem zentral Rechner verbunden, von wo aus ihre Aktivitäten gesteuert werden können – sogenanntes "Box-Farming".

TikTok-Influencer mittlerweile wichtigste Kunden

"Eine Person kann sehr schnell die Arbeit von 10.000 erledigen", erzählt Latham von seinen Beobachtungen. Es ist eine sehr einsame und monotone Arbeit. Auf den Farmen, die er besuchte, war jeder für eine bestimmte Social-Media-Plattform zuständig. Ein "Farmer" postete massenhaft Kommentare auf Facebook, ein anderer richtete pausenlos YouTube-Konten ein und ließ diese in Dauerschleife Videos "ansehen". Die Unternehmen erhalten dafür in etwa einen Cent pro Klick. Die "Angestellten" deutlich weniger. Laut Latham sind TikTok-User mittlerweile der wichtigste Auftraggeber von Klick-Farmen.

Klickfarmen gefährden die Demokratie

Im Laufe seiner Recherchen stellte Latham fest, dass Algorithmen – ein Thema seines vorherigen Buches "Latent Bloom" – häufig Videos empfahlen, die mit jedem Klick immer "extremer" würden. So werden Klickfarmen auch gezielt eingesetzt, um Propaganda für oder gegen einen bestimmten Politiker oder Verschwörungstheorien zu verbreiten.

"Die Verbreitung von Falschinformationen ist das Schlimmste. Sie geschieht in Ihrer Hosentasche, nicht in Zeitungen, und es ist erschreckend, dass sie auf jeden persönlich zugeschnitten ist", zeigt sich Latham besorgt über die Auswirkungen dieses "Geschäftsmodells".

Selbstgebaute Klickfarm auf Schweizer Ausstellung

In der Hoffnung, das Bewusstsein für das Phänomen und seine Gefahren zu schärfen, will Latham beim Schweizer Festival Images Vevey (7. bis 29. September 2024) seine eigene Klickfarm aufstellen – eine kleine Box mit mehreren Telefonen, die an eine Computerschnittstelle angeschlossen sind. Er kaufte das Gerät in Vietnam für umgerechnet 1.000 Dollar und experimentierte gelegentlich auf seinen Social-Media-Konten damit.

Auf Instagram erhalten Lathams Fotos normalerweise zwischen einigen Dutzend und einigen Hundert Likes. Als er seine persönliche Klickfarm jedoch einsetzte, um sein neuestes Buch anzukündigen, generierte der Beitrag mehr als 6.600 Likes. Der Fotograf möchte den Leuten klarmachen, dass es mehr gibt als das, was sie in den sozialen Medien sehen – und dass Kennzahlen kein Maß für Authentizität sind.

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    23.11.2024: Verschwunden! Rätsel um Goldschatz aus Wiener Villa. In einer alten Villa in Wien-Penzing sollen 30 Kilo Gold gefunden worden sein. Plötzlich will niemand mehr wissen, wo das Edelmetall ist.
    Leserreporter

    Auf den Punkt gebracht

    • Der Fotograf Jack Latham enthüllt in seinem Buch "Beggar's Honey" die dunkle Seite des Influencer-Geschäfts, indem er Klick-Farmen in Vietnam besucht, die Likes und Views für Instagram, TikTok und Youtube generieren
    • Diese Farmen nutzen echte Geräte oder Simkarten, um massenhaft Aktivitäten auf Social-Media-Plattformen zu simulieren
    • Latham warnt vor den Auswirkungen dieser Klickfarmen auf die Verbreitung von Falschinformationen und plant, eine selbstgebaute Klickfarm auf einem Schweizer Festival auszustellen, um auf die Gefahren dieses Geschäftsmodells aufmerksam zu machen
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