Reisen
Coronakrise? Ich flieg dann mal nach Kambodscha
Kaum einer bereist noch die Welt. Reisebüro-Besitzer Stephan Roemer machte den Test: Wie ist es, trotz Covid-19 nach Kambodscha zu reisen?
"Im Flugzeug von Zürich nach Singapur waren wir 18 Fluggäste." Diese Aussage von Reisespezialist Stephan Roemer sagt viel über die momentane Situation, in der die Tourismusbranche steckt, aus. "An die Maske gewöhnt man sich im Flugzeug aber schnell." Die müsse man während des ganzen Fernfluges tragen. Für die Schweizer Touristikfachzeitschrift "Travel Inside" bloggte er während der Reise von unterwegs und bot den Lesern damit spannende Einblicke.
Doch bevor Stephan Roemer die Reise antreten konnte, musste er sich in der Schweiz einem Covid-19-Test unterziehen. Das negative Testresultat darf bei Ankunft nicht älter als 72 Stunden sein. Eine Vorgehensweise, die auch andere Länder anwenden. Ebenso gibt es keinen Direktflug nach Kambodscha. Entweder man wählt die Route via Singapur oder Südkorea. "20 Minuten" hat mit ihm nach der Reise gesprochen.
Sie waren in Kambodscha. Was war der Grund Ihrer Reise?
Ich hatte zwei Gründe. Zum einen eine geschäftliche Pendenz, die meine Anwesenheit vor Ort erforderte. Zudem wollte ich vor Ort selber einen Augenschein nehmen, inwiefern es aktuell möglich ist, das Land touristisch zu bereisen.
Konnten Sie problemlos einreisen?
Zusätzlich zu einem negativen Covid-19-Testresultat verlangen die Behörden vor Ort einen weiteren Covid-19-Test und darauffolgend eine maximal 48 stündige Quarantäne in einem Hotel. Dieses durfte ich anhand einer Liste von Quarantänehotels selbst aussuchen.
Stephan Roemer, Inhaber des Schweizer Reiseveranstalters Tourasia und Mitinhaber von Diethelm Travel kennt sich mit Krisen aus. Er durchlebte beruflich bereits die SARS-Krise 2003, den Tsunami 2004, Vulkanausbrüche und Flughafenschliessungen.
Unterwegs in Phnom Penh
Nach der Kurz-Quarantäne freute er sich auf die Stadt und traf auf, wie er sagt: "Freundliche, lachende Menschen, das Leben in Phnom Penh spielt sich ganz normal ab, ohne dass man die Corona-Situation bemerkt." Die Restaurants seien gut besucht, von Einheimischen, aber auch Ausländern. "In Phnom Penh sind alle Hotels und Restaurants offen." Anders schaue es an den ansonsten touristischen Orten aus. So trifft er in Sihanoukville auf leere Strände.
Die Corona-Krise bringt eine neue Armut
Wie reagierten die Einheimischen auf Ihr Erscheinen?
Ich wurde überall überaus freundlich empfangen. Im Gespräch mit den Hoteliers bestätigte man mir, wie sehr man den Tourismus vermisse. Die Jobs und die damit verbundenen Einkommen fehlen der Bevölkerung. Die Menschen leiden. (Stephan Roemer deutet daraufhin, dass in Kambodscha die zwei wichtigsten Industrien aufgrund der Corona-Krise am Boden seien: die Textilindustrie und der Tourismus - Anm. d. Red.)
Kambodscha zählte bereits vor der Corona-Krise zu den ärmsten Ländern Asiens – was ist denn nun anders?
Was ich seit den 1980er-Jahren nach dem Kriegsende nicht mehr sah, bekam ich nun in Kambodscha wieder zu Gesicht: hungernde Kinder in den Dörfern. Eine Unter- oder Mangelernährung ist den Menschen bereits jetzt nach wenigen Monaten wieder anzusehen. Ich besuchte mitunter das Schweizer Hilfswerk Smiling Gecko. Da kommen die Kinder jeweils hungrig in die Schule. Schwierig seien die Montage, erzählte man mir. Nach den Wochenenden würden die Schüler jeweils komplett ausgehungert zurück in der Schule eintreffen.
Wie fühlt man sich in einer solchen Situation als Feriengast?
Die Menschen benötigen den Tourismus. Ich fühlte mich wahnsinnig privilegiert. In den Hotels wird man bedient wie ein König.
Können Sie eine solche Reise denn empfehlen?
Für jedermann ist eine solche Reise nicht. Aber es ist ein einmaliges Erlebnis. Gerade dann, wenn man einen Besuch von Angkor Wat einplant. die Tempelanlage wird normalerweise täglich von tausenden Touristen besucht. Aktuell hat man Angkor Wat wieder für sich alleine. Genau wie ich es in den 1980er-Jahren bereits erleben durfte. Dieses Privileg wird es so in Zukunft wohl lange nicht mehr geben. Wenn einem etwas Derartiges etwas wert ist, dann kann ich es empfehlen. Es ist gleichzeitig ein Erlebnis für Menschen, die Reisen gewohnt sind. Dazu kommt: Eine solche Reise ist aktuell nicht günstig.
Das Fazit der Reise?
Zum Schluss zieht Stephan Roemer ein Fazit. Er stellt Fragen, deren Antworten er selber nicht kennt: Dürfen sich die weltweiten Organisationen und Politiker das Recht nehmen, Maßnahmen zu treffen, die das Schicksal großer Bevölkerungsteile dieser Welt bestimmen? Drängen wir dabei nicht mehr Menschen in den Überlebenskampf durch Hunger und Armut? Während er diese Fragen selber nicht beantworten kann, weiß er eines: "Ich werde wieder reisen und ich bin bereit, die beschriebenen Beschwernisse und Einschränkungen auf mich zu nehmen. Sie werden durch die positiven Erlebnisse mehrfach entschädigt." Und er werde weiterhin versuchen, seinen Beitrag zu einem fairen und nachhaltigen Tourismus zu leisten.
Zurück in der Schweiz bietet Stephan Roemer mit seinen Reiseanbietern tourasia und Diethelm Travel auf Anfrage Reisen nach Kambodscha an.