Wien
In Sport-Kantine gibt’s was auf die Geschmacksknospen
Erst war es ein Hobby für Freunde und Bekannte, dann wurden die Bestellungen immer zahlreicher. Heute kocht Sonja (46) in ihrem eigenem Restaurant.
Im Restaurant Coração Português von Sonia Fernandes in der Burggasse 75-77 (Wien-Neubau) hört man öfters Kinderlachen – und Schreie: Das Lokal ist im Wien Taekwondo Centre (Kampfsportverein) untergebracht – in der Kampfsportschule trainieren auch die Staatsmeisterinnen Israels, Kroatiens, Portugals und Österreichs. In der "Kampfsportkantine" trafen sich zunächst vor allem Portugiesen. "Sie kommen her, weil es sie an zuhause erinnert und ihr Heimweh lindert, wenn sie die vertrauten Gerüche riechen, die geliebten Speisen essen", so Sonja. "Ich koche Soul Food – das Herz soll sich zuhause fühlen".
Gäste pilgern sogar aus Graz in die Burggasse
Dann war die Bloggerin Lisa (the green bowl) zu Besuch im Coração Português, sie war begeistert. Das, was bis dahin ein Geheimtipp war, wurde bekannt. Dann kam der "Standard", die "Heute", plötzlich auch Gäste aus den fernsten Ecken Österreichs in die Burggasse. "Ich war überwältigt, was Leute für Essen alles machen", so die Tochter Juliana (18), die mit aushilft. "Da kommt ein Herr von Graz, nur um unsere Karte durchzuprobieren, weil er in der Zeitung davon gelesen hat!", freut sie sich.
"Wir hatten herausfordernde Wochen" sagen die beiden. Vorher waren es täglich um die 30 Besucher. "Wir hatten dann innerhalb weniger Tage plötzlich um achtzig Prozent mehr Gäste – dauerhaft." Das war eine logistische Herausforderung. Sonia kaufte ein, faltete Teigtaschen, rührte, buk, kochte, schälte, briet – und schaffte den Besucheransturm zu überzeugen.
Die Küche aus dem Süden Portugals, aus der Region Alentejo, der Heimat von Sonia ist charakterisiert durch "Bodenständigkeit, Deftigkeit. Wir kochen viel mit Schwein, Fisch (Sardine, Dorade, Bacalhau (Kabeljau)), Meeresfrüchten, Bohnen, gewürfelte Pommes, Tomatenpaste." Im Winter gibt es im Alentejo typischerweise reichhaltige Suppen mit viel Fleisch, Gemüse, Bohnen. "Kräftig und deftig muss es sein."
Tipp: UNBEDINGT die Muscheln (6 Euro) probieren, zum Dessert ein, zwei Pasteis de Nata (1,80 Euro – davon werden täglich 100 bereitet und abends sind alle weg) verspeisen und einen Espresso, einen "Bica" (2 Euro), trinken. Der ist recht stark. "Meine Eltern trinken den sogar nachts. Sie können trotzdem direkt einschlafen, unglaublich!" staunt Tochter Juliana. Täglich gibt es zudem ein wechselndes Tagesgericht um 15 Euro.
Facebook-Gruppe wird Restaurantgrundlage
"Die Mama macht das hier alles ganz allein", übersetzt die Tochter, da Sonja noch nicht ganz so gut Deutsch spricht. Was auch der Grund ist, warum sie, als sie vor elf Jahren nach Österreich kam, zunächst in Wiener Hotels für Ordnung und Sauberkeit gesorgt hat. Sie begann 2011 für die Portugiesen in Wien auf Bestellung privat zu kochen und zu backen. Nebenbei hat sie damals eine Facebook-Gemeinde aufgebaut, die genauso hieß und heißt, wie das jetzige Restaurant – inzwischen sind in der Gruppe über 900 Mitglieder, das sind ihre "Fans" und Kunden.
"Für Migranten ohne Hochschulabschluss sieht es ja meist so aus, dass der Papa auf den Bau geht und die Mama putzt. Ich bin so stolz auf meine Mama, dass sie das hier aufgebaut hat", so Juliana mit Blick auf das vollbesetzte Lokal ihrer Mama. "Ein Geheimtipp sind wir jetzt sicher nicht mehr", lacht Sonja.