Deutsche schrieb Buch
Clan-Aussteigerin von Ex mit "Abschlachten" bedroht
Unter einem Pseudonym geht eine vierfache Mutter an die Öffentlichkeit, gibt erstmals Einblicke in das Leben eines kriminellen arabischen Clans.
Menschenhandel, Drogengeschäfte, Schutzgelderpressung, Raub, Geldwäsche: Es ist eine lange Liste von schwerkriminellen Delikten, die Latife Arab - der Name ist ein Pseudonym - in ihrem Buch "Ein Leben zählt nichts - als Frau im arabischen Clan" aufzählt. Die vierfache Mutter, die in Deutschland lebt, stieg mit 28 Jahren aus dem Clan aus.
Erschreckende Einblicke ins Clan-Leben
Kein Respekt vor Frauen, kein Respekt vor dem Staat: Latife Arab erzählt, wie sie von ihrem damaligen Mann immer wieder verprügelt wurde, wie Clan-Kriminelle die deutsche Polizei und die Justiz verachten. Sie schildert eine Parallelwelt, in die man eigentlich nicht blicken will, in der Asylmissbrauch, Kriminalität, Gewalt, Frauenverachtung und Sozialbetrug an der Tagesordnung stehen. Der "Spiegel" hat die Autorin interviewt und ihre Angaben überprüft - sie stimmen.
„Latife Arab ist ein Pseudonym, deshalb hoffe ich, dass sie nichts davon erfahren. Aber wie ich meine Familie kenne, wird sie es früher oder später rauskriegen. Dann werden sie mir das Leben zur Hölle machen“
"Ich habe nur noch Angst um meine Kinder"
Latife Arab rechnet damit, dass ihre Familie sie irgendwann aufspüren wird. Sie könne jederzeit irgendwo ein Familienmitglied treffen, erzählt sie dem "Spiegel": "Dann werden sie mir mein Leben zur Hölle machen." Ob sie Angst habe? "Ja, um meine Kinder, vor allem um meine Töchter. Angst um mich selbst habe ich nicht mehr."
In der Türkei aufgewachsen, zwangsverheiratet
Die Frau, sie ist mittlerweile deutsche Staatsbürgerin, wuchs in der Türkei auf und kam als Kind nach Deutschland. Als ihrer Familie das Geld, das sie vom Staat erhielt, nicht mehr reichte, stieg sie in den Handel mit gestohlenen Autos, ins Drogengeschäft und in den Menschenschmuggel ein. Immer wieder sei zu Hause Diebesgut herumgelegen, erzählt Latife Arab.
Mit Tricks zu geringeren Strafen
Fast alle männlichen Familienmitglieder seien bereits einmal im Gefängnis gesessen. Mit einem Trick wird die Strafe möglichst gering gehalten: Derjenige, der entweder noch unter das Jugendstrafrecht fällt oder am wenigsten Vorstrafen hat, gesteht einfach die Tat. Auch Latife Arab wurde in die kriminellen Machenschaften ihres Clans hineingezogen - indem sie etwa als Geldbotin eingesetzt wurde.
„Meine Familie hat schnell gelernt, wie das System in Deutschland funktioniert: je mehr Kinder, desto mehr Geld.“
Frauen haben keine Rechte
Auch ein Grund, warum sie ausgestiegen ist: Ihre Töchter sollen es besser haben als sie. Denn in ihrem Clan hatten die Frauen nichts zu melden. Sie müssen Kopftuch tragen, werden ständig kontrolliert, beim Einkaufen von einem Bruder begleitet, zwangsverheiratet, misshandelt. Dieses Leben wollte Latife Arab für sich nicht mehr, für ihre Töchter schon gar nicht.
So schaffte sie den Ausbruch
Dank ihrer guten Deutsch-Kenntnisse musste sie für ihre Familie die Behördenwege erledigen, dabei hatte sie Gelegenheit, heimlich die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben. Von ihrem Mann loszukommen, war dennoch ein langer Weg: Immer wieder verprügelte er sie aufs Ärgste, landete sie im Frauenhaus. Einmal drohte er ihr: "Ich schlachte dich ab, ich krieg dich schon." Dennoch schaffte sie, mit mehreren Helfern, den Ausbruch. Frei, von ihrer Familie gelöst, fühlte sie sich seitdem dennoch nie.
Wie man gegensteuern sollte
Mit den deutschen Behörden geht Latife Arab hart ins Gericht: Von der Polizei habe sie keine Unterstützung erhalten, die sogenannten "Aussteigerprogramme" für Clan-Mitglieder seien wirkungslos. Sie würde früher ansetzen, in der Schule, um den Einfluss von Großfamilien nicht zu groß werden zu lassen. Man dürfe nicht zulassen, dass Mädchen nicht am Schwimm- oder Sportunterricht teilnehmen dürfen (wie es ihr passiert ist). Man müsse die Sozialleistungen beschränken und Straftaten härter bestrafen. Latife Arab zum "Spiegel": Der deutsche Staat sollte seine Haltung gegenüber Migranten, die hierherkommen, ändern. Er sollte klarer machen, dass auch sie in der Pflicht sind, dass das Zusammenleben hier funktioniert. Er sollte den Kindern Alternativen und Auswege aufzeigen und sie mitprägen, bevor sie vollends vom System solcher Großfamilien vereinnahmt werden."