"Letztklassig", "bizarr"
Chef-Gewerkschafter geht auf Industriellen-Boss los
Die Stimmung zwischen Industriellenvereinigung und Gewerkschaft war auch schon einmal besser. Am Donnerstag richtete man sich Nettigkeiten aus.
"Simmering gegen Kapfenberg – das ist Brutalität", gab Helmut Qualtinger einst zum Besten. Doch angesichts der harten Bandagen, mit denen sich die Sozialpartner am Donnerstag gegenseitig attackieren, muss man diesen Spruch wohl überarbeiten. Den Anfang im Match "Industrie" gegen "Gewerkschaft" machte der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Knill. Den Austausch von Freundlichkeiten muss man wohl auch vor dem Hintergrund anstehender Lohnverhandlungen und der Regierungsbildung sehen.
Via Aussendung unter dem Motto "Industriestandort statt 'Industrie stand dort'" schlug Knill Alarm. "Tagtäglich erreichen uns neue Nachrichten von Betrieben, die in Schwierigkeiten geraten. Werksschließungen, Stellenabbau, Verhandlungen um Gehaltsverzicht und Insolvenzen häufen sich". Die IV warne seit Monaten vor derart "dramatischen Entwicklungen". Die Gründe hierfür seien teilweise "leider hausgemacht".
Gehaltssteigerungen "nicht machbar"
Knill blickt nach Deutschland, wo "Kollektivvertragsabschlüsse mit Weitsicht und Verantwortung verhandelt" würden. Die Arbeitnehmervertreter seien sich "der prekären Situation bewusst". "In Österreich hingegen fordern die Gewerkschaften weiter überzogene Gehaltssteigerungen, die in der wirtschaftlichen Lage nicht machbar sind. Unsere Warnungen in den letzten Jahren wurden ignoriert", polter der Oberindustrielle.
Ein Vergleich der Lohnstückkosten zeige die Entwicklung: "Seit 2021 sind diese in Österreich um 30,2 Prozent gestiegen, in Deutschland hingegen lediglich um 14,3 Prozent, und in Italien gar nur um 7,1 Prozent.", rechnet Knill vor. Die Folge: Die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen würden leiden. "Kurzsichtige Forderungen und das Streben nach schnellen Erfolgen seitens der Gewerkschaft haben die Herausforderungen der letzten Jahre noch verschärft. Wenn wir jetzt nicht handeln, riskieren wir, unseren Industriestandort noch weiter nachhaltig zu gefährden", poltert Knill und verlangt das Ziehen der Handbremse.
Gewerkschaft reagiert "empört"
Die Antwort der Gewerkschaft – ebenfalls via Aussendung – ließ keine zweieinhalb Stunden auf sich warten. Man reagiere "empört" auf den heutigen Rundumschlag von IV-Präsident Georg Kill und weise die erhobenen Vorwürfe dezidiert zurück. "Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht für die schwierige wirtschaftliche Situation verantwortlich und können nichts für Managementfehler, auch wenn die Industriellenvereinigung das offensichtlich nicht begreifen will oder kann", schlägt die Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) in Person des Bundesparteivorsitzenden Reinhold Binder – dieser war bereits in der Vergangenheit für so manch deftigen Sager verantwortlich – zurück.
Die Argumentation der IV werde immer "unseriöser". Das deutsche Tarifsystem lasse sich nicht mit dem österreichischen Kollektivvertragssystem vergleichen – schon alleine deshalb nicht, weil in weiten Teilen der deutschen Metall- und Elektroindustrie beispielsweise eine 35-Stunden-Woche herrsche. Zudem seien auch in der Vergangenheit zentrale wirtschaftlichen Kennzahlen unterschiedlich und die Wachstumsraten der österreichischen Industrie weit über jener Deutschlands gewesen. "Wenn die Analyse der IV stimmen würde, dann wäre Deutschland jetzt eine Konjunkturlokomotive und nicht im Krisenmodus, so Binder, der auch darauf hinweist, dass die Energiekosten hierzulande seit 2020 deutlicher angestiegen sind als die Industrielöhne", so die Gewerkschaft.
"Postfaktische Propaganda"
So zu tun, als würden kollektivvertragliche Lohnabschlüsse nicht sozialpartnerschaftlich vereinbart, sondern von den Gewerkschaften diktiert, sei "realitätsfremd und das eigentliche Ansinnen der IV, nämlich die Löhne und Gehälter der Beschäftigten schleichend zu entwerten, richtet sich von selbst". Die Aussagen des IV-Präsidenten bezeichnet Binder wörtlich als "letztklassig, die Argumente bizarr. Anstatt Verantwortung zu übernehmen, legt die IV den Fokus auf postfaktische Propaganda", so Binder abschließend.
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Auf den Punkt gebracht
- Die Spannungen zwischen der Industriellenvereinigung und der Gewerkschaft haben sich verschärft, wobei beide Seiten scharfe Vorwürfe austauschen.
- IV-Präsident Georg Knill warnt vor den wirtschaftlichen Folgen überzogener Gehaltsforderungen, während die Gewerkschaft diese Vorwürfe als "unseriös" und "postfaktische Propaganda" zurückweist und die Verantwortung für die wirtschaftliche Lage bei den Managementfehlern sieht.