Nahost-Konflikt
Chaos im Gazastreifen – Sippen drängen in Machtvakuum
Während im südlichen Rafah die Hamas noch an der Macht sind, kämpfen im nördlichen Teil des Gazastreifens mehrere Akteure um Einfluss und Kontrolle.
In Rafah haben die Hamas nach wie vor die unangefochtene Kontrolle: Sie bewachten noch immer den Grenzübergang und kümmerten sich um die Administration der südlichsten Stadt in Gaza. Benjamin Netanyahu verkündete vor einigen Tagen, dass bereits ein Datum für eine Operation in Rafah festgelegt wurde. Die Hamas könnten also bald auch da ihre Kontrolle verlieren.
Doch was wird in Gaza passieren, wenn die Hamas aus der Gleichung entfernt werden? Der palästinensische Politologe Mkhaimar Abusad berichtet dem SRF von der Lage in den nördlichen Regionen. "Diebstahl ist weit verbreitet, die Häuser der Geflohenen werden geplündert."
Alteingesessene Machtstrukturen
Zum Teil geschehe die Plünderung durch Menschen, die einfach nur versuchten zu überleben. Zum anderen Teil gibt es jedoch auch kriminelle Banden, die ein Geschäft daraus machen, geplünderte Gegenstände wieder zu verkaufen.
Laut Abusada gehören manche dieser Banden zu einflussreichen Familien in Gaza. "Die palästinensische Gesellschaft ist eine hauptsächlich von Sippen dominierte Gesellschaft." Vor der Machtübernahme der Hamas in 2007 hätten die Intrigen und Machtspiele zwischen diesen Familien für Anarchie im Gazastreifen gesorgt. Die Hamas hätten sie damals rasch entmachtet und für eine gewisse Ordnung gesorgt. Nun, da sie durch den Krieg mit Israel geschwächt sind, nutzen die alten Sippen den Moment, um Einfluss zurückzugewinnen.
Wie sieht die Zukunft für Gaza aus?
Die Rückkehr der Clans an die Macht will Israel nutzen. Verteidigungsminister Yoav Galand schlug bereits vor, in Zukunft mit den lokalen Clans zusammenzuarbeiten. Politologe Abusada sieht das eher skeptisch. "Es gibt zu viele palästinensische Fraktionen, die untereinander konkurrieren." Abusada kann sich nicht vorstellen, dass diese Fraktionen ihre Konflikte ruhen lassen würden. Zudem lehnen selbst die Stammesführer die Zusammenarbeit mit Israel ab.
Stattdessen schlägt der Politologe einen anderen Weg vor: Die Rückkehr der palästinensischen Autonomiebehörde nach Gaza. "Doch dies müsste mit einer Entwaffnung der Hamas sowie auch der wiedererstarkten Clans in Gaza einhergehen. Ein entsprechend langer und steiniger Weg."