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Briten haben jetzt eine Ministerin für Einsamkeit

Nach Angaben des Roten Kreuzes fühlen sich mehr als neun Millionen Briten einsam. Dagegen will ihre Regierung nun etwas unternehmen.

Heute Redaktion
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Sportministerin Tracey Crouch (r.) ist jetzt auch für Einsamkeit zuständig.
Sportministerin Tracey Crouch (r.) ist jetzt auch für Einsamkeit zuständig.
Bild: Facebook

Mit dem Brexit steht es wohl nicht im Zusammenhang: Großbritannien hat künftig eine "Ministerin für Einsamkeit". Premierministerin Theresa May gab am Mittwoch bekannt, dass die Staatssekretärin für Sport und Ziviles, Tracey Crouch, die Aufgabe übernehmen soll, der zunehmenden Vereinsamung von wachsenden Teilen der Bevölkerung entgegen zu wirken.

May sprach von einer "traurigen Realität des modernen Lebens", die Millionen Menschen betreffe. Nach Angaben des Roten Kreuzes sagen mehr als neun Millionen Briten, dass sie sich immer oder häufig einsam fühlen. Etwa 200.000 Senioren hätten höchstens einmal im Monat ein Gespräch mit einem Freund oder Verwandten. Einsamkeit kann Studien zufolge auch die Lebenserwartung reduzieren.

"Epidemie im Verborgenen"

Großbritannien hat 65,6 Millionen Einwohner. May hat mit der MMaßnahme nach eigenen Worten vor allem Senioren, Pflegende und solche Menschen im Auge, die den Verlust eines ihnen nahe stehenden Menschen betrauern – "Menschen, die niemanden haben, mit dem sie reden oder ihre Gedanken und Erfahrungen teilen können", sagte die Regierungschefin.

Das Rote Kreuz spricht im Zusammenhang von Einsamkeit und Isolation von einer "Epidemie im Verborgenen", die Menschen aller Altersstufen und in den unterschiedlichsten Lebensphasen treffen könne – sei es nach dem Ausscheiden aus dem Job, nach Trennungen oder bei Trauerfällen.

Mit der Ernennung folgte May der Forderung eines Komitees, das die Erinnerung an die ermordete Labour-Politikerin Jo Cox wach hält. Die 41-jährige Unterhaus-Abgeordnete und Mutter zweier kleiner Kinder war Mitte Juni 2016 im nordenglischen Birstall auf offener Straße getötet worden. Der Angreifer rief bei der Tat Slogans der EU-Gegner. Cox hatte sich vehement für einen Verbleib ihres Landes in der EU ausgesprochen.

Forderungen auch aus Deutschland

Auch deutsche Politiker fordern, stärker gegen das Problem vorzugehen. "Die Einsamkeit in der Lebensphase über 60 erhöht die Sterblichkeit so sehr wie starkes Rauchen", sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der "Bild"-Zeitung vom Freitag. Einsame Menschen würden früher sterben und "viel häufiger an Demenz" erkranken.

"Es muss für das Thema Einsamkeit einen Verantwortlichen geben, bevorzugt im Gesundheitsministerium, der den Kampf gegen die Einsamkeit koordiniert", sagte Lauterbach weiter. Der CDU-Politiker Marcus Weinberg fordert "eine Enttabuisierung" des Themas Einsamkeit, "damit einsame Menschen eine Lobby haben und Einsamkeit nicht in einer Schmuddelecke bleibt", wie er der "Bild"-Zeitung sagte.

"Querschnittsproblem der Gesellschaft"

Auch die Diakonie forderte mehr Debatten und Engagement im Kampf gegen Einsamkeit. "Die britische Initiative ist vorbildlich", sagte Präsident Ulrich Lilie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

"Einsamkeit ist ein Querschnittsproblem in unserer Gesellschaft, über das zu wenig geredet wird". Politik, Vereine und Verbände müssten ein Bündnis schmieden, um gegen das Problem vorzugehen. (bee)