Wuhledar gefallen

Bricht jetzt die ganze Donbass-Front zusammen?

Lange hat die Ukraine Wuhledar verteidigt, jetzt ist die Bergbaustadt gefallen. Das erleichtert den Russen-Vormarsch auf die Stadt Pokrowsk.

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    Bilder einer orthodoxen Messe für die Verteidiger von Wuhledar, die 72. Mechanisierte Brigade, am 15. Dezember 2023.
    Bilder einer orthodoxen Messe für die Verteidiger von Wuhledar, die 72. Mechanisierte Brigade, am 15. Dezember 2023.
    Valentyn Kuzan / AP / picturedesk.com

    Wuhledar ist am Dienstagabend gefallen und jetzt komplett in russischer Hand. Die Bergbaustadt ist deswegen wichtig, weil sie auf erhöhtem Gelände liegt und eine Schnittstelle zwischen der östlichen und der südlichen Front bildet. Sprich: Sie hat Bedeutung für die Versorgung der Streitkräfte beider Seiten.

    Die 72. mechanisierte Brigade verteidigte Wuhledar mit seinen fast 15.000 Einwohnern im Süden des Oblast Donezk über zweieinhalb Jahre. Doch seit dem Sommer hat Russland dazugelernt und seine Taktik geändert – weg von großen, wenig mobilen Kampfverbänden hin zum Einsatz von kleineren Kampfverbänden mit zwischen zehn bis auch nur vier Soldaten.

    Diese operieren unter dem Schutz des immensen Artilleriebeschusses – mitunter bei einem Verhältnis von zehn zu eins – und der schnellen FPV-Drohnen. Zudem hat Russland seine Kommunikation auf dem Schlachtfeld verbessert, was die Koordinierung der Angriffe erleichtert.

    BILDER: So zerstört ist Ukraine-Frontstadt Wuhledar

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      Eines der letzten verfügbaren Satellitenbilder vor dem Fall: Die Frontstadt <strong>Wuhledar</strong> in der Oblast Donezk am 29. September 2024.
      Eines der letzten verfügbaren Satellitenbilder vor dem Fall: Die Frontstadt Wuhledar in der Oblast Donezk am 29. September 2024.
      Planet Labs Inc. via REUTERS

      Was nur ungern erwähnt wird

      Ukrainische Soldaten berichten "20 Minuten", dass Russland zwar hohe Verluste zu beklagen hat, aber zahlenmäßig weiter in der Lage ist, den Druck aufrechtzuerhalten. Die westliche Hilfe könne das Ausrüstungsdefizit nicht ausgleichen.

      Dazu kommt das Problem der Ukraine, ihre Truppen aufzufüllen. Dies wird nur ungern erwähnt – ebenso der Umstand, dass die Kursk-Offensive auf russisches Territorium gut 30.000 ukrainische Soldaten gebunden hat, die nun in Donezk fehlen. Den verbesserten russischen Taktiken, wie sie seit diesem Sommer zu beobachten sind, haben die Ukrainer nur schwer etwas entgegenzusetzen.

      Viel Terrain in zwei Monaten

      Entsprechend düster sieht die Lage aus: "In Donezk gewannen die russischen Streitkräfte im August und September so viel Terrain wie seit 2022 nicht mehr", so Pasi Paroinen vom Open-Source-Analyseunternehmen Black Bird Group mit Sitz in Helsinki.

      Russland sieht Wuhledar als eine der letzten ukrainischen Hochburgen im Süden von Donezk. Mit dieser Eroberung wird den russischen Truppen der Vormarsch auf andere Orte erleichtert.

      BILDER: So kämpften Ukrainer um Wuhledar

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        Im Februar 2023 hatte Putins Invasionsarmee noch&nbsp;eine "epische Panzerschlacht"...
        Im Februar 2023 hatte Putins Invasionsarmee noch eine "epische Panzerschlacht"...
        Evgeniy Maloletka / AP / picturedesk.com

        Nahe Schlammperiode als ukrainische Hoffnung

        Allen voran die seit Wochen schwer umkämpfte Stadt Pokrowsk, einem zentralen Logistik-Hub für die Verlegung von ukrainischen Truppen und ihrer Ausrüstung in die südlichen Donezk-Region.

        Noch leisten die ukrainischen Truppen erbitterten Widerstand. Sie hoffen auf die in wenigen Wochen einsetzende Schlammperiode, die das Vorrücken des Gegners verlangsamen wird. Sie wissen, dass ein Fall von Pokrowsk dem ganzen Grauen eine neue Wendung geben dürfte.

        59. Brigade im Verteidigungskampf bei Pokrowsk

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          Soldaten der 59. Brigade (im Bild) liefern sich einen erbitterten Kampf mit den Russen um Pokrowsk.
          Soldaten der 59. Brigade (im Bild) liefern sich einen erbitterten Kampf mit den Russen um Pokrowsk.
          20 Minuten/Ann Guenter; 59. Brigade

          "Weiterer Haufen Ruinen ändert strategisch nichts"

          So gehen Militäranalysten davon aus, dass dies einen Zusammenbruch der gesamten ukrainischen Frontlinie im Donbass nach sich ziehen dürfte. Dann würde die russische Armee quasi ungehindert bis an den Fluss Dnipro vorstoßen und der bisherige Abnützungskrieg in einen Bewegungskrieg übergehen, bei dem die Armeen große Landstriche durchqueren.

          Ans Aufgeben denkt man in der Ukraine nicht. Auf die Frage von "20 Minuten", wie seine Prognose zur Lage im Donbass aussieht, antwortete der ukrainische Militärexperte Mykola Bielieskov: "Wenn die Ukraine beschließt, weiterzukämpfen, und die Partner beschließen, weiter zu helfen, werden wir einfach weiterkämpfen. Ein weiterer Haufen Ruinen in den Händen der Russen ändert strategisch nichts."

          Selenksi bestätigt "schwierige Lage"

          Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat eingeräumt, dass die militärische Situation besonders in der Provinz Donezk "schwierig" sei. Das erklärte er in seiner abendlichen Videoansprache vom Mittwoch. Zuvor hatte er mit dem Oberkommandierenden der Streitkräfte, Oleksandr Syrsky, die Lage besprochen.
          Am Mittwoch bestätigte die ukrainische Armee den Verlust der strategisch wichtigen Stadt Wuhledar.

          Die Bilder des Tages

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            Andreas Tischler / Vienna Press

            Auf den Punkt gebracht

            • Die Stadt Wuhledar ist in russische Hände gefallen
            • Sie ist für die Frontversorgung beider Seiten von Bedeutung
            • Russische Streitkräfte haben ihre Taktik angepasst und nutzen kleinere Kampfverbände und verbesserte Kommunikation, was den ukrainischen Truppen Probleme bereitet
            • Die Ukraine hofft auf die kommende Schlammperiode, um das Vorrücken der russischen Truppen zu verlangsamen
            • Ein Kollaps der Donbass-Front ist aber nicht ausgeschlossen
            20 Minuten, red
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