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Wer dieser Eiche schreibt, findet schon mal die Liebe

Heute Redaktion
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Im deutschen Eutin steht ein Baum, um den sich zahlreiche Sagen ranken. Die sogenannte Bräutigamseiche hat eine eigene Adresse – und fungiert quasi als altmodisches Tinder.

Du bist auf der Suche nach der großen Liebe und hast dir dabei schon die Finger wund gewischt? Dann versuch es doch mal ganz unkonventionell – mit einem Brief an einen Baum. Und zwar an die sogenannte Bräutigamseiche im Wald der deutschen Stadt Eutin in Schleswig-Holstein.

Mit der mächtigen Eiche im Dodauer Forst hat es Romantisches auf sich: Sie dient Partnersuchenden und Heiratswilligen als toter Briefkasten. Dafür hat sie sogar eine eigene Adresse: Bräutigamseiche, Dodauer Forst, 23701 Eutin, Deutschland.

Von Montag bis Samstag bringt ein Postbote Couverts aus aller Welt in den Wald und steckt sie in ein Astloch der Eiche – 1000 Stück sind es der Deutschen Post zufolge pro Jahr. Jeder, der an der Eiche vorbeikommt, darf die drei Meter hohe Leiter zu dem "Briefkasten" hochklettern und die Post lesen.

Den Brief, der interessiert, nimmt man mit, die anderen steckt man zurück in den Baum. Schenkt man Lokalberichten Glauben, sind so schon mehr als 100 Ehen geschlossen worden.

"Etwas Romantischeres gibt es doch gar nicht"

Eine Marie aus Brandenburg wünscht sich einen Mann, der tanzen kann. Heinrich aus Sachsen sucht eine Reisepartnerin und Liu aus China hofft auf Freundschaft mit einer Deutschen. "Es hat etwas Magisches", sagt der 72-jährige Karl Heinz Martens im "BBC Travel"-Magazin. Der mittlerweile pensionierte Postbote hat 20 Jahre lang Briefe an die Eiche ausgeliefert, darunter Schreiben aus sechs Kontinenten, in Sprachen, die er oft nicht verstand.

"Im Internet bringen Fakten und Fragen Menschen zusammen, aber hier beim Baum ist es ein schöner Zufall – wie Schicksal", sagt Martens. "Etwas Romantischeres gibt es doch gar nicht", sagte der Pensionär einmal im Interview mit Zeit online. Schreiben und Zurückschreiben, das habe immer noch Zukunft.

Förstertochter und Schokoproduzent setzten Trend

Die rund 500 Jahre alte Eiche diente dem Austausch von Liebesbotschaften, lange bevor es Algorithmen und Apps zwecks Partnersuche gab. Vor 128 Jahren war das Astloch jedoch noch ein gut gehütetes Geheimnis zweier Liebenden.

Der Sage nach verliebte sich Minna, Tochter des Dodauer Oberforstmeisters, 1890 in den jungen Schokoladenfabrikanten Wilhelm. Minnas Vater aber sah diese Verbindung ungern, weshalb die beiden ihre Liebesbotschaften heimlich austauschten – via einem toten Briefkasten, das Astloch in der Eiche. Ein Jahr später folgte der Förster dem Herzenswunsch seiner Tochter, und Minna und Wilhelm heirateten am 2. Juni 1891 unter der Eiche.

So kam der Baum zu seinem Namen: Bräutigamseiche. Weil das Glück der beiden jungen Leute schnell die Runde machte, schrieben bald zahlreiche Heiratswillige an den Baum. So viele, dass er 1927 gar eine eigene Adresse erhielt und eine Leiter angebracht wurde.

Eiche verkuppelte auch den Postler

Martens selber kennt "mindestens zehn Ehen, die der Baum zusammenbrachte" – eine davon ist seine eigene. Als er 1989 in einem TV-Interview rund um die Bräutigamseiche sagte, ihm selber habe der Baum noch keine Partnerschaft beschert, schrieb ihm eine gewisse Renate. Auf einen Briefwechsel folgte die Liebe, und fünf Jahre später heiratete das Paar.

Seit April 2009 ist auch die Eiche selber verheiratet. Und zwar mit dem zweiten Baum, der in Deutschland eine eigene Adresse hat: der Himmelgeister Kastanie in Düsseldorf. (kko)