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"Brauchen Seenotrettung" – Experte will neues Konzept

Migrationsforscher sieht einen weiten weg bis zu einem funktionierenden Deal zwischen Europa und Tunesien. Es seien noch viele Fragen offen.

Michael Rauhofer-Redl
Migrationsforscher Gerald Knaus war am Sonntagabend in der ZIB2.
Migrationsforscher Gerald Knaus war am Sonntagabend in der ZIB2.
Screenshot ORF

Die EU schließt einen Migrationspakt mit Tunesien. Eine knappe Milliarde Euro soll nach Tunesien fließen, dafür Tunesien soll im Gegenzug Migranten an der Überfahrt nach Europa hindern. Zugleich will die rechtspopulistische italienische Regierung zusätzliche Migranten nach Italien holen. Zu dieser Thematik lud sich ZIB2-Moderatorin Marie-Claire Zimmermann  den Migrationsforscher Gerald Knaus via Schaltung nach Berlin ins ORF-Studio. 

Es sei "paradox", dass die jüngsten Äußerungen der extrem rechten italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni extrem viele Ähnlichkeiten mit dem Koalitionspapier der deutschen "Ampel"-Regierung aufweise. Beide Seiten wollten Migrationsabkommen, beide erklärten, dass man dafür Ländern etwas anbieten müsse und beide Seiten erklärten, dass man legale Migration ermöglichen muss. Das biete einen Rahmen, den "katastrophalen Status quo" zu überwinden. Allerdings ließen ihm die bislang erzielten Details in diesem Rahmen daran zweifeln, dass man in Rom und anderswo verstanden habe, wie man die Ziele einer humanen Kontrolle von irregulärer Migration erreichen kann. 

Präzises Regelwerk notwendig

Es gebe ungeklärte Schlüsselfragen. Etwa: "Bietet Italien Tunesien legale Migration an?". Man könnte dann sagen, dass man Tunesiern legale Migration ermöglicht, dafür dürfen Tunesier dann nicht mehr in die Schlepper-Boote steigen. Dafür nehme Tunesien jeden ausreisepflichtigen Staatsbürger rasch auf. "Das wäre total sinnvoll". Völlig offen sei allerdings was mit Nicht-Tunesiern geschehe. In anderen afrikanischen Ländern gebe es "katastrophale Menschenrechtsverletzungen", so Knaus. 

Mache sich Europa nicht erpressbar, wollte Zimmermann wissen und spielte da auf den Deal mit der Türkei an, wo der türkische Präsident Erdogan erklärt habe, die EU müsse bestimmte Forderungen erfüllen, ansonsten würde er wieder Flüchtlinge durchlassen. Knaus erklärte, dass sich die EU in jenem Moment erpressbar mache, in dem sie signalisiere, Ländern aus denen Menschen illegal nach Europa kommen, Geld zu geben, damit sie "irgendwas tun". Der Türkei-Deal sei präzise ausformuliert gewesen. "Das ist keine Erpressung, das ist Diplomatie", so Knaus. 

Wenn man wolle, dass die EU unabhängig ist, lande man sehr schnell bei den Vorschlägen Viktor Orbans. Dann sei man nicht mehr auf Diplomatie angewiesen, aber man gibt die Grundwerte und Gesetze der EU sowie die Menschenwürde auf.  "Das kann's nicht sein". Nun sei es wichtig, die Frage zu klären, was man in den kommenden Wochen der Türkei, Tunesien und Marokko anbiete, und was die genannten Länder im Gegenzug tun müssten. 

Breite Lösung gefordert

Ist es nicht so, dass Schlepper andere Wege finden werden, wollte die ORF-Moderatorin wissen? Das sei manchmal der Fall und manchmal nicht, so die lapidare Antwort. Für Knaus ist allerdings klar, dass man eine Lösung brauche, "die für das gesamte Mittelmeer funktioniert". In diesem Zusammenhang erklärte er, dass man etwa mit Libyen nicht verhandeln könne. Dort gebe es seit Jahren Menschenrechtsverletzungen. 

Knaus plädiert für ein anderes Konzept, das auf jeden Fall Seenotrettung im zentralen Mittelmeerraum vorsieht auch durch die EU geschehen solle. "Wir müssen Leute retten und wir müssen sie dann in einen sicheren Drittstaat bringen", so der Experte. Über diese Fragen müsse man jetzt "ernsthaft" reden.

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