Gesundheit
Blutgerinnsel nach Covid-Infektion besonders gefährlich
Eine Corona-Infektion ist unter anderem auch mit einem hohen Thrombose-Risiko verbunden. Doch die Gerinnsel bei Covid-19 sind anders als die anderen.
Thromboembolien gehören zu den gefährlichsten Komplikationen einer Covid-19-Erkrankung. Ein internationales Wissenschaftlerteam mit österreichischer Beteiligung hat jetzt herausgefunden, warum die Gerinnselbildung in Organen nach einer SARS-CoV-2-Infektion mit einem so hohen Risiko verbunden ist: Die Gerinnsel (Thromben) bei Covid-19 sind besonders dicht und über lange Zeit stabil. Schuld daran dürfte der Blutgerinnungsfaktor XII/XIIa sein.
"Eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann nicht nur aufgrund einer schweren Lungenentzündung mit akutem Lungenversagen tödlich verlaufen. Die Erkrankung ist auch in hohem Maße mit einer gesteigerten Gerinnselbildung und damit einhergehenden thromboembolischen Komplikationen verbunden, was oft mit dem Tod der Patienten endet. Dies äußert sich unter anderem durch die Entwicklung einer Lungenembolie, eines Schlaganfalls oder eines Herzinfarkts bis hin zum Multiorganversagen in Verbindung mit einem COVID-19 Krankheitsbild. Die intensivmedizinische Behandlung wird dann nicht nur wegen der Ursprungsinfektion, sondern zusätzlich wegen der Thrombose nötig", schrieb jetzt die Universität Gießen in Deutschland. Dort wurde die nunmehr in "Blood Advances" publizierte Studie koordiniert, welche die Spezifika der "Coronathromben" aufklären sollte.
Venöse Thromoboembolien bei bis zu jedem 3. Coronakranken
Der Zusammenhang zwischen SARS-CoV2-Infektionen und Thrombosen sowie Embolien ist jedenfalls signifikant, so die Wissenschaftler. Unter den Autoren sind auch drei Forscher aus Graz, unter ihnen Anna Birnhuber vom Ludwig Boltzmann Institut für Lungengefäßforschung, sowie zwei Experten der MedUni Graz. "Venöse Thromoboembolien - einschließlich tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenembolien - treten bei bis zu jeder dritten SARS-CoV2-infizierten Person in der Intensivstation auf, selbst wenn eine prophylaktische Antikoagulation (Hemmung der Blutgerinnung) angewandt wurde", stellten die Experten fest.
Infektion führt zu Überreaktion des Immunsystems
Eine Infektion mit dem Coronavirus führt aus medizinischer Sicht nicht nur zu einer generalisierten Entzündung im Körper, sondern auch zu einer Überreaktion weiterer Abwehrmechanismen, darunter auch des Blutgerinnungssystems. So wurde schon zu Beginn der Covid-19-Pandemie in klinischen Studien berichtet, dass erhöhte Spiegel des Gerinnungsproteins Fibrinogen und weiterer spezifischer Thrombose-Biomarker im Blut der Infizierten nachweisbar waren, was auf eine gesteigerte Aktivierung der Blutgerinnung hinwies. Covid-19-Patientinnen und -Patienten werden routinemäßig auch auf Gerinnungsmarker im Blut untersucht.
Dichteres und stabileres Gerinnsel-Netzwerk
Hier setzte das internationale Forscherteam an. Die Wissenschaftler analysierten die Gerinnungsparameter, die Struktur der gebildeten Blutgerinnsel und die Gerinnbarkeit im Blutplasma bei Covid-19 oder im Rahmen einer Influenza-Erkrankung. Die Untersuchungen zeigten, dass Blutgerinnsel von Covid-19-Patienten viel effektiver gebildet wurden und ein dichteres und stabileres Gerinnsel-Netzwerk aufwiesen als solche von Influenza-Patienten oder einer gesunden Kontrollgruppe. Die Corona-Blutgerinnsel waren auch resistenter gegenüber einer versuchten Auflösung. Offenbar treten im Rahmen von Covid-19 im Blut Faktoren auf, welche eine Auflösung der Gerinnsel verhindern.
Blutgerinnungsfaktor XII als Kernproblem
Die Gießener Lungenforscherin Malgorzata Wygrecka sieht den Blutgerinnungsfaktor XII als Kernpunkt der Probleme: "Wir beobachten in Corona-Patientenplasma, dass der dort aktivierte Gerinnungsfaktor die Blutgerinnung zusätzlich anheizen und so zur gesteigerten Gerinnselbildung beitragen kann." Gerinnungsfaktor XII (Hageman-Faktor) ist ein von der Leber gebildeter Eiweißstoff im Blut, der bei der Blutgerinnung eine wichtige Rolle spielt. Eine zusätzlich noch erhöhte Konzentration an Fibrinolyse-Inhibitoren spreche dafür, dass "Coronathromben" eben eine längere Stabilität aufwiesen und damit zu den vermehrten Komplikationen bei den Betroffenen beitragen könnten.
Empfehlung: Faktor XIIa hemmen
Zusätzlich fanden die Wissenschaftler im Lungengewebe von verstorbenen Corona-Patienten massive Gerinnsel-Ablagerungen in Gefäßen und Lungenbläschen, an die Faktor XII/XIIa gebunden war. Das Team empfiehlt den medizinischen Fachgesellschaften, den Faktor XII/XIIa als einen ursächlichen Faktor für Thrombosen in ihre Leitlinien zur Thrombose-Prophylaxe und -Therapie von Corona-Patienten aufzunehmen. Da die Möglichkeit besteht, Faktor XIIa durch bereits bekannte spezifische Inhibitoren zu hemmen, könnte so eine wirksame antithrombotische Therapie bei Corona-Patienten erfolgen, ohne dass deren Blutgerinnung und Wundheilung zusätzlich beeinträchtigt wird, meint das Expertenteam.