Kanzler zu "Heute"
"Bin Garantie, dass Kickl nicht Kanzler wird"
Karl Nehammer kämpft um seinen Verbleib im Kanzleramt. Mit "Heute" spricht er über das Duell mit Herbert Kickl ("harter Wettbewerb") und seine Ziele.
"Heute": Sie haben jüngst in Umfragen aufgeholt. Bei aller Tragik: Hat Ihnen das Hochwasser in die Karten gespielt?
Karl Nehammer: Ich habe nie allzu viel auf Umfragen gegeben. Entscheidend ist der Wahltag. Eine Auftragsvergabe am Sonntag an mich ist eine Garantie, dass Herbert Kickl nicht Kanzler wird.
Glauben Sie, dass Sie Platz eins schaffen?
Das ist das Ziel.
Video: Der Talk mit Karl Nehammer
Bleiben Sie ÖVP-Chef, wenn Sie Zweiter werden?
Wenn man einen Wettkampf gewinnen will, darf man sich nur mit dem ersten Platz auseinandersetzen.
Wer auch immer am Sonntag gewinnt: Soll der Erste den Regierungsbildungsauftrag vom Bundespräsidenten erhalten?
Das ist in Österreich gute Tradition und das finde ich auch richtig so.
Wie realistisch ist es?
Es ist ein harter Wettbewerb, davon lebt die Demokratie aber. Ich habe dargelegt, was mir wichtig ist: Leistung, Familie und Sicherheit. Es braucht eine Entlastung des Faktors Arbeit, weniger Steuern auf Überstunden und Anreize, dass man länger arbeitet, wenn man will – über das Pensions-Antrittsalter hinaus, ohne sinnlose Abschläge, wo dann weniger Netto vom Brutto bleibt.
Die ÖVP ist seit 37 Jahren in der Regierung. Warum soll man Sie gerade jetzt für Ihren Österreichplan wählen?
Wir sind schon lange in der Regierung und man kann sehen, dass man sich auf die Volkspartei und Karl Nehammer verlassen kann – auch wenn es schwierig wird. Wir leben nicht von Problemen, sondern lösen sie – das haben wir auch in der Vergangenheit getan. Die Radikalen sind schnell da, wenn es ernst wird und wollen komplexen Problemen mit einfachen Lösungen begegnen. Die Wahrheit aber ist: Da braucht es Ausdauer und Haltung, die dann auch wieder Halt geben kann.
Die ÖVP hat die volle Legislaturperiode durchregiert. Würden Sie sagen, dass das Leben der Österreicher besser wurde?
Es waren wegen der Krisen sehr schwere Jahre für die Bevölkerung. Corona war sehr belastend, die Folgen mussten wir mit viel Steuergeld abfedern. Dann der Ukraine-Krieg mit der Energiekrise – das waren Riesen-Sorgen und es waren hohe Investitionen nötig. Durch die Stärkung der Kaufkraft haben wir aber versucht, den Standard der Menschen zu erhalten.
Gibt es mit den Grünen gefasste Beschlüsse, die sie nicht mehr tätigen würden?
Wenn es etwa um die Pandemie geht, müssen wir auch zu Fehlern stehen. Fehler passieren immer, wenn man bereit ist, Entscheidungen zu treffen. Der größte Fehler allerdings ist, wenn man keine Entscheidung trifft.
Und das Gender-Gesetz im Parlament?
Das war ein Fehler, der allerdings im parlamentarischen Prozess korrigiert wird.
Die sprachliche Abschaffung von Mann und Frau passt auch nicht zur ÖVP.
Eine Differenzierung zwischen Mann und Frau ist richtig und wichtig – alles darüber hinaus muss aber im Rahmen bleiben. Alleine im Schriftverkehr wird das ausufernd.
Soll die ORF-Haushaltsabgabe bleiben?
Die Weiterentwicklung eines effizienten Rundfunks mit Schwerpunkt auf Regionalität und österreichischer Kultur darf nie aufhören. Vieles kann man breiter denken, auch Private können öffentlich-rechtliche Aufträge erfüllen. Dieser Diskussion verweigere ich mich nicht.
Tabu ist die Abgabe aber nicht?
Nein, tabu ist sie nicht. Sie muss sich dem angleichen, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfüllen soll. Ein Verfassungsgerichtshofs-Urteil ist noch ausständig. Danach kann man weiter an Stellschrauben drehen, sodass es am Ende das ist, was sich die Menschen vom ORF erwarten.
Und die CO2-Steuer?
Sie ist Teil der ökosozialen Steuerreform, mit der wir etwa den schleichenden Lohnfraß abgeschafft und einen Klimabonus eingeführt haben. Wenn man die CO2-Abgabe einfrieren will, muss man gleichzeitig auch darüber nachdenken, was das dann für den Klimabonus bedeutet. Insgesamt muss man beim Thema CO2 viel neu denken. Ich setze hier stark auf Technologie-Offenheit.
Würden Sie Leonore Gewessler in einer neuen Regierung neuerlich als Ministerin akzeptieren?
In der Bundesregierung herrscht Einstimmigkeitsprinzip. Gemeinsame Beschlüsse gelingen nur, wenn sich alle an die Spielregeln halten. Leonore Gewessler hat mit ihrer Entscheidung beim EU-Renaturierungsgestz das Spielfeld verlassen und sich ins Out gestellt. Gerade wenn es schwierig wird, braucht es Stabilität. Da sind billige Punkte für einen Wahlparteitag der Grünen gesammelt worden – aber mit einem hohen Preis ...
Wenn Sie wählen müssten: Zusammenarbeit lieber mit einer FPÖ ohne Kickl oder mit einer Babler-SPÖ?
Zunächst: Für mich kommt nur eine FPÖ ohne Herbert Kickl in Frage. Seine Selbstradikalisierung führt dazu, dass er nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, wenn es schwierig wird. Die Wähler haben es am 29.9. in der Hand – mein Angebot an sie ist bekannt.
Nur wenige Kilometer von unserer Grenze entfernt soll in Ungarn ein Asylquartier entstehen. Kommt es?
Die Ungarn haben gesagt, dass dem nicht so ist. Sollte es dennoch geplant sein, wird es massive Grenzkontrollen auf österreichischer Seite geben. Das will auch Viktor Orbán nicht. Wir haben die illegale Migration aus Ungarn um 97 Prozent gesenkt, das soll auch so bleiben.
Auf den Punkt gebracht
- Karl Nehammer betont im Interview mit "Heute", dass er die Garantie dafür sei, dass Herbert Kickl nicht Kanzler wird
- Er spricht über seine Ziele, die Bedeutung von Leistung, Familie und Sicherheit sowie die Notwendigkeit von Steuerentlastungen und technologischer Offenheit im Klimaschutz