Warnung ausgegeben
"Balrog"-Sonnensturm trifft mit 1.000 km/s die Erde
Unmengen geladene Partikel wurden in Richtung Erde geschossen. Beobachter rechnen mit einem schweren Sonnensturm und verbreiteten Polarlichtern.
Unsere Sonne ist derzeit höchst aktiv. Die Eruptionen an ihrer Oberfläche reißen nicht ab. In der Nacht auf Mittwoch wurde neuerlich aufgeladenes Material hinausgeschossen – auf direktem Kollisionskurs mit der Erde.
Die Experten der GeoSphere Austria melden am Donnerstagvormittag einen "sehr schnellen Sonnensturm". Das kosmische Bombardement rast demnach mit einer geschätzten Geschwindigkeit von 1.000 km/s auf uns zu. Ankunft: "Heute Nachmittag".
Die Form des koronalen Masseauswurfs sorgt für Staunen. Der britische Astrophysiker Ryan French fühlt sich dabei an den legendären Balrog aus Peter Jacksons "Herr der Ringe"-Filmen und der neuen Amazon-Serie "Ringe der Macht" erinnert:
Der Ursprung liegt in der Sonnen-Region AR 3848. "Sie ist das, was wir eine Beta-Gamma-Delta-Region nennen. Das bedeutet, dass das Magnetfeld eine sehr komplizierte Struktur hat, die sich hervorragend für eruptive Ereignisse eignet", erläutert Weltraumforscher Steph Yardley. Kurz vor 4 Uhr nachts am 9. Oktober (MESZ) spie diese dann den "Balrog" in Richtung Erde.
Der erwartete Teilchenhagel wurde in die höchste Kategorie X mit einer Stärke von 1,8 eingestuft. Beim Auftreffen auf das Erdmagnetfeld und die Atmosphäre wird es nach den Erwartungen der US-Weltraumwetter-Behörde NOAA zu einem geomagnetischen Sturm der zweithöchsten Klasse G4 (schwer) kommen. Eine entsprechende Warnung für Donnerstag und Freitag wurde bereits ausgegeben.
Betroffen sind Regionen der Nordhalbkugel ab dem 45. Breitengrad, also etwa von der geografischen Lage Istriens nordwärts. Die augenscheinlichste Auswirkungen wird das Auftreten von Polarlichtern in weit südlicheren Regionen als normal sein.
Auch in Österreich könnten diese am Horizont wieder sichtbar werden – so das Wetter mitspielt. Die besten Chancen auf Auflockerungen und somit Sicht auf Polarlichter gibt es laut UBIMET-Prognose in Osttirol sowie später auch im Oberen Murtal und im Nordosten Niederösterreichs.
Neben tanzenden Polarlichtern gibt es aber auch teils gravierendere Folgen: Durch die elektromagnetischen Interferenzen kann es zu verbreiteten Probleme mit der Spannungsregelung kommen, einige Schutzsysteme könnten fälschlicherweise wichtige Anlagen vom Stromnetz trennen, warnt NOAA. Dazu könnte es zu sporadischen Radio-Blackouts kommen.
So werden Sonneneruptionen klassifiziert
Unter X fallen die intensivsten aller Sonneneruptionen, die Zahl dahinter ist ein Indikator ihrer Stärke. Weil es sich um die oberste Kategorie handelt, ist diese nach oben hin offen. Die größte bisher gemessene Sonneneruption (4. November 2003) war eine X45.
Das beigefügte R ist die Klassifizierung der möglichen Radio-Blackouts auf einer fünfteiligen Skala zwischen R1 – Minimal und R5 – Extrem).
Treffen sie auf die Erde, entstehen Geomagnetische Stürme, auch Sonnenstürme genannt. Sie wurden mit G abgekürzt und auf einer ebenso fünfstufigen Skala gewertet.
Mega-Sonnensturm kann uns "in Steinzeit zurückwerfen"
Dieses Mal ist zwar nicht mit gröberen Zwischenfällen zu rechnen, aber "es ist jederzeit möglich, dass ein sehr extremer Sonnensturm auftritt", warnte Melanie Heil von der ESA-Weltraumwettermission in Darmstadt bereits in der Vergangenheit vor potenziell weitreichenden Folgen.
"Erreicht so ein Sonnensturm die Erde, kann er uns vorübergehend in die technologische Steinzeit zurückwerfen", lautet die eindringliche Warnung von ESA-Wissenschaftsdirektor Günther Hasinger in einem früheren "Spiegel"-Interview über einen möglichen Extremfall.
"Wenn der Sonnensturm auf Gebiete mit empfindlicher Infrastruktur trifft, kann er Strom- und Mobilfunknetze lahmlegen. Die digitale Kommunikation bricht zusammen, Kliniken und Kernkraftwerke müssen auf Notstromaggregate zurückgreifen." Weitreichende Blackouts, Kommunikationsausfälle und der Ausfall zahlreicher akkubetriebener Geräte wären die Folge.
Noch davor würde es Satelliten treffen. Die solaren Teilchen könnten Spannungsspitzen in der Elektronik und somit einen Ausfall der Satellitennavigation oder des Fernsehens auslösen. "Außerdem gefährden Sonnenstürme das Leben von Astronauten. Die geladenen Partikel können menschliches Erbgut schädigen und begünstigen Krebserkrankungen", so ESA-Experte Hasinger.
"Wenn wir extreme Ausbrüche rechtzeitig erkennen, bleiben uns acht Stunden bis zwei Tage, bis die Teilchen auf die Erde treffen. Bis dahin kann etwa die Stromversorgung auf das Nötigste zurückgefahren werden, um Schäden an laufenden Anlagen zu verhindern", erklärt der ESA-Experte.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Ein schwerer Sonnensturm, der mit einer Geschwindigkeit von 1.000 km/s auf die Erde zurast, wird voraussichtlich am Donnerstagnachmittag eintreffen und könnte weitreichende geomagnetische Störungen verursachen
- Neben beeindruckenden Polarlichtern in südlicheren Regionen als üblich, könnten auch ernsthafte Probleme wie Stromausfälle, Kommunikationsstörungen und Beeinträchtigungen der Satellitennavigation auftreten