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Fünf Dinge, die jedes Balkan-Kind kennt
Klar, nicht alle Balkaner sind gleich. Aber es gibt ein paar Dinge, an denen kommst du als Spross einer Familie aus Ex-Jugoslawien schlicht nicht vorbei.
Es fängt meist mit einer Kleinigkeit an. Einer kleinen Jammerei meinerseits über irgendetwas ohne Belang. Und es endet fast immer in einem epischen Monolog von Mama oder Papa, bei dem selbst J.R.R. Tolkien den Atem angehalten hätte. Denn Mordor ist ein Ponyhof im Vergleich zum Balkan in den Siebzigern. Zumindest, wenn es nach den Erzählungen von Jugo-Eltern geht.
Laut meiner Mutter litt der Balkan vor meiner Geburt unter einer noch nie dagewesenen Eiszeit. Die Schule war ungefähr drei Kontinente entfernt. Und Schuhe gab es generell keine. Aus diesem einfachen Grund hätte ich keinerlei Berechtigung, auch nur einen Gedanken ans Jammern zu verschwenden. Mache ich es doch, wird mir die Legende erneut vorgetragen. Und mit jedem Mal wird sie ein Stück epischer.
Einem Balkaner schmeckt grundsätzlich nichts. Außer man streut etwas Vegeta darüber. Die Würzmischung ist ein wahres Wundermittel. Salz und Pfeffer können einpacken gegen dieses kulinarische Feuerwerk.
Was da genau drinnen steckt, hat sich wohl bis heute noch kaum ein Jugo durchgelesen. Dennoch werden Tonnen von dem Zeug über alle möglichen Speisen geschüttet. Hauptsache, es schmeckt.
Die Balkan-Sender haben ein ziemlich einseitiges Programm. Zumindest hatten sie das in den Neunzigern. Ich muss gestehen, ich habe mich schon seit Ewigkeiten nicht mehr getraut, auf einen Jugo-Kanal zu switchen. Und das hat einen guten Grund: Ich wurde für mein Leben geschädigt. Und zwar von spanischen Telenovelas.
Ich war nie ein Fan von ihnen, aber wer kann schon wegsehen, wenn Esmeralda mit Esteban kurz vorm Durchbrennen ist, obwohl ihr Alejandro gerade die Liebe gestanden hat. Richtig: Niemand!
Hinzu kommt noch, dass am Balkan der Job des Synchronsprechers offenbar nicht wirklich angesehen war. Aus diesem Grund gab es auch einfach keine. Das heißt, die Serien wurden auf Spanisch gezeigt. Aber mit Jugo-Untertiteln. Nur reden die Protagonisten halt so schnell, dass man mit dem Lesen nie wirklich mitkam. Trotzdem wollte man wissen, was da in den Villen der Latinos so abgeht. Ich musste mich irgendwann zu einem echten Entzug zwingen. Für viele meiner Verwandten kommt jedoch jede Hilfe zu spät. Sie sind für immer Gefangene ...
Zur Fußball-WM 1998 lag ich mit hohem Fieber im Bett. Doch an Ausruhen war nicht zu denken. Kurz bevor Davor Suker auf den Platz lief, wurde ich jeweils geweckt. Erst nach 90 Minuten Daumen drücken durfte ich mich weiter auskurieren. Und zwar mit einem g'sunden Stamperl.
Die Episode zeigt, wie außerordentlich wichtig der sportliche Erfolg für uns Balkaner ist. Wir werden von Klein auf darauf getrimmt, die Sport-Stars unserer Heimat zu bejubeln.
Wie gut wir darin sind, stellten etwa die Kroaten unter Beweis, als ihre "Vatreni" als WM-Zweite aus Russland in Zagreb ankamen:
Oder nehmen wir die Bosnier: Als es im November in Wien zum Duell gegen Österreich kam, feierten die Fans ihre Nationalmannschaft bis zum Umfallen:
Dabei beschränkt sich die Sport-Manie selbstredend nicht nur auf den Fußball – sie erfasst uns zuverlässig, wenn eine Nationalmannschaft in irgendeiner Sportart zum Wettkampf antritt.
Du outest dich bei neuen Bekannten als Jugo? Dann bekommst du mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb von Millisekunden die Aufforderung zu hören: "Sag mal was".
Und jedes Mal frage ich mich: Wozu? Mein Gegenüber versteht mich doch ohnehin nicht. Häufig folgt dann ein peinlicher Dialog im folgenden Stil:
"Was soll ich denn sagen?"
"Irgendwas."
"Sag doch einfach, was ich sagen soll."
"Ja, egal was."
"Nein."
"Komm. Sag irgendwas."
>>>> Teil 1: Fluchen mit Balkan-Mama – ein Crash-Kurs
>>>> Teil 2: Balkan-Mamas größte Angst: Ich, unverheiratet
>>>> Teil 3: Meine Freundin, ein Svabo – für Mama ein Skandal
>>>>Teil 4: Der Balkan – die Hölle für Veganer
>>>>Teil 5: Die Balkaner, ihre große Liebe zu Rakija – und ich
>>>>>Teil 6: Weshalb wir Balkan-Kinder so auf Rap abfahren (red)