Schnelle Änderung muss her

Asyl-Krise "extrem gefährlich" – Experte warnt im ORF

Migrationsforscher Gerald Knaus setzt sich für eine Drittstaatenlösung als "besten Weg" aus der Asylkrise ein. Dem stehen aber EU-Gesetze im Weg.

Newsdesk Heute
Asyl-Krise "extrem gefährlich" – Experte warnt im ORF
Migrationsexperte Gerald Knaus in der ZIB2 mit Armin Wolf am 15. Oktober 2024.
Screenshot ORF

Die EU-Kommission will einen neuen Gesetzentwurf zur Rückführung illegal eingereister Migranten vorlegen. Dies kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem am Montagabend veröffentlichten Brief an die 27 Mitgliedstaaten an. Der Vorschlag enthalte in einem Zehn-Punkte-Plan unter anderem "klare Kooperationsverpflichtungen für rückgeführte Personen" und habe die Absicht, "den Rückführungsprozess wirksam zu straffen".

Die EU-Mitgliedsländer hatten sich erst im Frühjahr mühsam auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt, die unter anderem verschärfte Abschieberegeln vorsieht, aber erst 2026 in Kraft treten soll. Seither forderten unter anderem die Niederlande und Ungarn, von den gemeinsamen Asylregeln ausgenommen zu werden.

Derweil preschen andere EU-Mitgliedsstaaten mit eigenen Lösungen vor: Am Samstag hatte der polnische Regierungschef Donald Tusk zudem angekündigt, das Asylrecht teilweise aussetzen zu wollen. Er warf Russland und dem Nachbarland Belarus vor, gezielt Migranten über die polnischen Grenzen zu schleusen. Italien hat unterdessen zwei Asylunterkünfte in Albanien in Betrieb genommen. Ein Marineschiff mit einer ersten Gruppe von Migranten ist bereits auf dem Weg.

Drittstaatenlösung

In der ZIB2 Dienstagnacht ging ORF-Star Armin Wolf dem Thema mit seinem Studiogast, Migrationsforscher Gerald Knaus, auf den Grund. Dieser hatte den Italo-Deal mit Albanien schon vor Monaten einen "politischen Bluff" genannt, bleibt auch weiter bei dieser Ansicht, "weil die Schlüsselfragen nicht beantwortet sind". So wisse noch niemand, was mit den Menschen in den Lagern dort geschehe, wenn ihr Asylantrag negativ ausfällt.

Gelänge tatsächlich eine schnelle Rückführung, dann müsse man sich fragen, warum das denn nicht etwa auf italienischem Boden genauso gehe. Und wenn die Rückführung nicht gelinge, werde die Person erst wieder nach Italien zurückgebracht: "Dann ändert sich gar nichts."

Dabei spräche aus Knaus' Sicht generell nichts gegen eine Drittstaatenlösung, doch das politische Wie sei entscheidend: "Erfolg haben alle Abkommen, die erstens garantieren, dass die europäischen Gerichte eine Verbringung von Menschen in sichere Drittstaaten zulassen – Die Menschenrechte und der Zugang zu einem Verfahren müssen dort gewährleistet sein."

"Der beste Weg"

Der zweite entscheidende Faktor sei, dass man das "ab einem Stichtag macht". Ab diesem Datum müssten wirklich auch nahezu alle illegal Eingereisten in Drittstaaten gebracht werden und auch dort bleiben, wenn sie Schutz bekommen. "Das Ziel sollte sein, mit möglichst wenigen Abschiebungen, die irreguläre Migration ab dem Stichtag drastisch zu reduzieren."

Der Experte schärft die Kernpunkte nach: "Stichtage, Klarheit, klare Kommunikation und Menschenrechte! Dann können diese Abkommen tatsächlich der beste Weg sein, irreguläre Migration zu reduzieren."

Türkei-Deal: EU hat "Ball fallen lassen"

Das sei mit der EU-Türkei-Erklärung 2016 bereits einmal gelungen. Statt 150.000 Menschen in drei Monaten waren es danach plötzlich nur noch 5.000, die sich damals in die Boote gesetzt hatten. Dass das seit rund 5 Jahren nicht mehr funktioniere, sei der Diplomatie geschuldet: "Die Drittstaaten müssen das auch wollen". Die EU habe da "den Ball fallen gelassen", doch es brauche da dringend wieder eine neue Einigung mit der Türkei.

"Für Österreich und Deutschland, die in den letzten zehn Jahren Dreiviertel der Syrer und über der Hälfte aller Afghanen Schutz gewährt haben, ist es extrem wichtig, dass wir eine Kooperation mit der Türkei zur Reduzierung der irregulären Migration haben." Daran müsse die neue EU-Kommission "mit Nachdruck" arbeiten.

Abschiebungen scheitern oft an Bedrohung im Heimatland. Die Migranten durch eine Rücküberstellung in Gefahr bringen, will Knaus auch bei einer Neuregelung nicht sehen: "Aber wenn es darum geht, Menschen in ihre Heimatländer zurückzubringen, brauchen wir Abkommen, die in beiderseitigem Interesse sind."

"Humane Alternative zum Status Quo"

Problem sei hier das aktuelle EU-Recht, das solche Abkommen derzeit nur "eingeschränkt" ermögliche. "Fast alle Staaten wollen das ändern, auch Österreich." Das schnell zu ändern, sei nun "die größte Herausforderung" der neuen Kommission und dem wahrscheinlich neuen Migrations-Kommissar, dem türkisen Finanzminister Magnus Brunner.

Knaus betont: "Sichere Drittstaatslösungen sind die humane Alternative zum Status Quo mit Tausenden Toten, immer mehr Gewalt und dem Aufstieg von Rechtspopulisten, die das Asylrecht ganz entsorgen wollen, in unseren Demokratien." Koalitionen der Mitte müssten nun Vorschläge bringen, wie ohne Gewalt irreguläre Migration reduziert werden könne, "was die Mehrheit unserer Wählerinnen und Wähler überall in Europa wollen".

Wenn das nicht gelinge, werde es immer mehr Regierungen in Europa geben, die de facto die Menschenwürde verletzen oder vorschlagen, sie nicht mehr als Maßstab für Gesetze zu nehmen. "Und das ist extrem gefährlich!", warnt der Experte abschließend.

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    • Die EU-Kommission plant einen neuen Gesetzentwurf zur Rückführung illegal eingereister Migranten, der unter anderem klare Kooperationsverpflichtungen und eine Straffung des Rückführungsprozesses vorsieht
    • Migrationsforscher Gerald Knaus betont die Notwendigkeit von Drittstaatenlösungen, die Menschenrechte gewährleisten und klare Stichtage setzen, um irreguläre Migration effektiv zu reduzieren
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