Wien
"Verwesungsgeruch bei Visite" – Spitalsarzt packt jetz
Zahlreiche Spitäler in Wien und dem Rest Österreichs sind nicht gegen die Hitze gerüstet. Das hat gravierende Folgen für Personal und Patienten.
Tagelang pendelte das Thermometer in Wien zwischen 35 Grad im Schatten und 20 Grad in der Nacht, strahlender Sonnenschein heizte die Stadt richtiggehend auf. Das merkten auch die Tausenden Patienten, Pfleger und Ärzte in den Wiener Spitälern. Nur die wenigsten Krankenhäuser verfügen nämlich über funktionierende Klimatisierung in den Innenräumen.
So ist es auch in der Klinik Donaustadt deutlich zu heiß, sagt der dortige Oberarzt Jörg Hofmann im Ö1-Morgenjournal am Freitag. Der Mediziner, er ist auch Spitalsärztevertreter bei der Wiener Ärztekammer, beklagt, dass bei der Spitalsplanung und dem Bau in den 1980er Jahren die Hitze noch nicht berücksichtigt worden sei. Nun leide man seit Jahrzehnten.
Manche Bereiche des früheren SMZ Ost konnten mit Kühlanlagen nachgerüstet werden, doch weite Teile sind an heißen Sommer Tagen noch immer "kaum erträglich".
Hofmann: "Kollegen berichten mir von einem Untersuchungsraum in unserer Notfallambulanz wo die Gynäkologen und Urologen sich ein kleines Kammerl teile, das fensterlos ist. Dort gibt es auch keine Klimatisierung, was zu tropischen Temperaturen führt."
In dem Spital würden nun ganze Patiententrakte in den nächsten Jahren völlig neu gebaut – unter anderem um die Hitze in den Griff zu bekommen.
"Da kommt einem so ein Verwesungsduft entgegen."
Ganz neu ist die Klinik Floridsdorf. Doch auch das erst vor wenigen Jahren eröffnete Spital kämpft mit dem Hitzeproblem. Von dort berichtet Oberarzt und nebenberuflicher VP-Gemeinderat Michael Gorlitzer über unhaltbare Zustände durch die nicht richtig funktionierende Kühlung: "Wir haben teilweise Zimmertemperaturen von 28 bis 30 Grad. Das ist für schwerkranke Patienten sehr belastend."
Der Gefäßchirurg berichtet von schrecklichen Folgen der Hitze in seinem Alltag: "Dort wo Patienten – das kann ich aus Erfahrung sprechen – mit diabetischen Wunden [...] im Zimmer liegen... Da kommt einem, wenn man da Visite macht, so ein Verwesungsduft entgegen." Wie das "Morgenjournal" aber hervorhebt, dürften viele andere Abteilungen glücklicherweise nicht mit solchen Problemen kämpfen.
Die Kühlanlage in Floridsdorf schafft maximal eine Temperaturdifferenz von 6 bis 10 Grad, sagt der Gesundheitsverbund. Eine solche solle nun auch in Donaustadt eingebaut werden. Eine Vollklimatisierung gebe es derweil nur im AKH. Als Begründung wurden Energieeffizienz und Hygiene genannt.
Es ist aber kein reines Problem der Wiener Spitäler, auch in vielen anderen Krankenhäusern wird es im Sommer viel zu heiß.
"Kann fatale Folgen haben"
Arbeits- und Umweltmediziner Heinz Fuchsig von Tiroler Ärztekammer bestätigt die Zustände. Die Hitze sei "jahrzehntelang unterschätzt worden." Heuer komme aber auch noch eine hohe Luftfeuchtigkeit hinzu: "29 Grad und 65 Prozent Luftfeuchtigkeit sind wie 32 Grad und 40 Prozent. Und dann schwitzt man ineffektiv. Und was das für offene Wunden bedeutet, etwa unter Verbänden und Gips, das kann man sich ausmalen."
Die Hitze habe in den Spitälern vielschichtige Auswirkungen: Das fängt schon beim Personal daheim an. Wenn deren Wohnung in der Nacht zu warm bleibt, ist der Schlaf viel schlechter. Dadurch sinke auch die Leistungsfähigkeit im Job, weiß Fuchsig. Und: "Die Heilungsprozesse laufen im Schlaf ab", weshalb es auch für die Patienten schlecht sei, wenn das Zimmer zu warm wird.
Auch bei den Medikamenten gibt es Probleme. Einige davon würden den Körper sensibler für Hitze machen, was in aufgeheizten Räumen eine zusätzliche Belastung darstellt. Noch dazu gibt es Mittel, die bei zu hohen Temperaturen bei der Lagerung schlecht werden: "Wenn ich einen Blutverdünner habe, der hitzesensibel ist und bei 28 Grad schon beginnt in der Wirkung nachzulassen und dann über Wochen falsch gelagert wurde, und das dann auf Patienten trifft, die aufgrund der Hitze umgangssprachlich schon verdicktes Blut haben, dann kann das natürlich fatale Folgen haben."
"Bei Hitze keine Hetze"
Ebenso müsse man bedenken, ob etwa eine Entlassung von Patienten möglich ist. Einige müssten daheim erst wieder in völlig aufgeheizten Wohnungen unterkommen, wenn sie etwa keine Angehörigen haben, die in der Nacht davor zumindest alles kräftig durchlüften könnten. Solche Zustände seien dann der Gesundheit und der Rekuperation natürlich nicht zuträglich.
Da brauche es entsprechende Schulungen für das Personal, vom Koch bis Primar, sagt der Arbeitsmediziner. Auch die Spitalsangestellten müssten lernen, mit der Hitze umzugehen: "Das Personal muss wissen: Bei Hitze keine Hetze", laute das wichtigste Credo. In überhitzten Ambulanzen brauche es Fächer und ausreichend Getränke. Auch müsse man zwischendurch Pausen machen können, um etwa die Beine kurz in ein Kaltwasserbad zu stellen.
"Nicht aufregen"
Abschließend hat der Experte auch noch einen Rat für die Patienten: Man solle ganz leichte Kleidung tragen, ausreichend trinken, durchaus auch salzhaltige Kost zu sich nehmen, einen Fächer oder kleinen Ventilator nutzen. Betroffene sollten versuchen, die Hitzephase "mit Gelassenheit, ohne sich aufzuregen, durchzutauchen."
Das ist nicht immer leicht, doch Fuchsig betonte zum Abschluss die Wichtigkeit solch stoischer Ruhe: "Hitze steigert den Blutdruck, die Aufregung auch. Wenn sich Leute ärgern ist das auch für die Heilung nicht zuträglich."
Mittlerweile ist am Freitag auch im bisher sonnigen Osten des Landes endlich wieder etwas Abkühlung eingekehrt. Es wird aber nicht die letzte Hitzewelle gewesen sein, wohl weder in diesem Sommer, noch in den folgenden. Der Trend ist klar: es wird in Österreich in den nächsten Jahrzehnten immer wärmer.