Balkan-Blog
Arnie und das Problem mit der Schimpferei am Balkan
Marko Arnautovic führte Österreich zum ersten EM-Sieg in der Geschichte. Gleich im Anschluss sorgte er für einen Skandal. Zumindest in Mitteleuropa.
Wer am Balkan mitreden will, der muss schimpfen können. Das habe ich sehr früh mit auf den Weg bekommen. Immerhin wurde ich dort geboren und verbrachte drüben auch meine ersten Jahre. Aber erstmal alles der Reihe nach.
Die 90. Minute wurde gerade eingeläutet. Vor dem TV zitterten die Österreicher noch, ob das ÖFB-Team rund um David Alaba den knappen Vorsprung über die Zeit bringen kann. Genau dann setzte Arnautovic aber zum Geniestreich an, spazierte wie in einem Trainingsspiel durch Nordmazedoniens Sechzehner und netzte zum entscheidenden 3:1 ein.
Während seine Teamkollegen und eine ganze Nation jubelten, deutete der Torschütze auf den gegnerischen Ezgjan Alioski und begann über seine Mutter zu sprechen. Jeder Jugo dürfte ihm die Worte problemlos von den Lippen abgelesen haben. Und wer genau hinsieht: Auch Alioski scheint Arnie sehr gut verstanden zu haben. Seine Reaktion: Ein kurzes Abwinken gefolgt von einem enttäuschten Abgang. Nach dem Schlusspfiff trafen sich die zwei Kontrahenten noch zu einem kurzen Plausch (wo ziemlich sicher auch die Verwandtschaft zum Thema wurde) und dann war die Sache auch schon gegessen. Also zumindest für die zwei Kicker.
Balkan und Fluchen – das gehört zusammen
Nach der Euphorie prasselten dann aber die Negativ-Schlagzeilen auf den ÖFB-Star ein. Seine Sätze wurden in mehreren serbischen Zeitungen abgedruckt. Diese wurden in abgeschwächter Form von Medien in ganze Europa übernommen. Ein handfester Skandal bahnte sich an.
Es gilt im Vorfeld zu erwähnen, dass die Aussagen von Marko Arnautovic keineswegs verharmlost werden sollten. Und die Aktion wird auch definitiv noch ein Nachspiel haben. In welcher Form auch immer. Auch ohne Spiel-Sperre, die unschöne Szene nach seinem ersten EM-Tor wird ihn definitiv ein Leben lang verfolgen.
Das Problem fing aber nicht beim Jubel an, sondern schon Jahre zuvor. Der Balkan und das Fluchen – das gehört einfach zusammen. Ich selbst habe hier schon mehrmals über die Schimpftiraden meiner Mutter berichtet, von der sich Arnie noch die ein oder andere Scheibe abschneiden könnte. Ich bin auch überzeugt davon, dass seine Eltern einen ähnlichen Wortschatz haben, der ihm auf den Weg mitgegeben wurde.
Über diesen Blog
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In Wiener Käfigen wird geredet wie bei der EM
Das hat aber nichts mit einer schlechten Erziehung zu tun, sondern mit einem Kulturunterschied. Am Balkan geht man mit Schimpfwörtern einfach ganz anders um, als im Großteil von Europa. Hier darf man ganz unverblümt über den Beischlaf mit allen möglichen Verwandten reden. Nachtragend ist aber niemand. Im Gegenteil. Nicht selten entwickelt sich aus den Schimpfereien eine sehr gute Freundschaft. Vielleicht werden Arnie und Alioski keine besten Freunde mehr, aber am Spielfeld haben sie die Sache, wie bereits erwähnt, schon besprochen. Der Mazedonier meint sogar selbst: "Nach dem Spiel haben wir gesprochen und uns beruhigt. Arnautovic ist als Freund gekommen, wir haben Deutsch geredet und uns am Ende verstanden", wird Alioski zitiert.
Klar ist aber: Die Schimpfereien sind ein Problem! Solche Ausdrücke haben auf einer europäischen Fußball-Bühne vor einem Millionenpublikum nichts zu suchen. Jedoch muss eben viel früher angesetzt werden. Das machte auch die Reaktion von David Alaba deutlich. Der Teamkapitän dürfte seinen Kollegen sehr gut verstanden haben. Der Grund ist schnell erklärt: Alaba begann seine Karriere in Wiener Fußball-Käfigen. Dort hat er garantiert vor ein paar Jahren einige dieser Ausdrücke aufgeschnappt und am Sonntag in Bukarest sehr schnell kombiniert. Am Ende konnte er Arnie sogar relativ schnell beruhigen. Wer weiß, vielleicht sogar mit ein paar bösen Wörtern...