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BioWare verspielt seine bedeutendste Stärke

Mit Anthem hat das Studio BioWare zum nächsten Streich angesetzt. Der Schlag sitzt – und geht doch ziemlich daneben.

Heute Redaktion
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Wenn BioWare ein Spiel veröffentlicht, hält die Gamewelt den Atem an. Mit Spielen wie Dragon Age und Mass Effect hat sich das Studio einen Namen für storylastige Spiele gemacht – das letzte Sci-Fi-Abenteuer Mass Effect: Andromeda fiel kläglich durch. So hoffte die Fan-Gemeinde, dass BioWare mit Anthem wieder Tritt fasst. Immerhin steht das Studio für kluge Geschichten, gute Dialoge und packenden Inhalt – auch wenn es sich hier um ein Service-Game handelt, das andere Sensibilitäten erfordert.

Iron-Man-Simulator

Der Befreiungsschlag gelingt nur halbwegs. Anthem erzählt die Geschichte eines von "Gestaltern" geschaffenen, aber unfertigen Planeten, auf dem Menschen leben. Eine mysteriöse Energiequelle, technologische Artefakte, die stete Bedrohung durch monster- und insektenähnliche Wesen sowie heftige Naturereignisse beschäftigen die Menschen. Als Bollwerk fungieren Freelancer, die mit ihren Kampfanzügen (Javelins) den Widrigkeiten entgegentreten. Die steuern sich im Flug übrigens hervorragend. Iron Man wäre stolz.

Im Kleid eines von vier Javelins stürzen sich Spieler ins Gefecht. Jeder Anzug verfügt über besondere Fähigkeiten – dazu mehr im separaten Multiplayer-Test. Das Story-Gerüst rundherum ist vielversprechend, spielt die typischen BioWare-Stärken – also tiefgreifende Dialogsysteme und bedeutungsvolle Entscheidungen – kaum aus. Kein Wunder, denn Publisher EA hat ein Game nach dem Vorbild anderer Online-Spiele in der Tradition von Bungies Destiny bestellt.

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Gegensätze ziehen sich nicht an

Mit einer solche Philosophie beißen sich die Sensibilitäten von BioWare etwas. Denn für verschiedene Enden, lange Konversationen und Nuancen ist in einem Loot-Shooter mit Mikrotransaktionen wenig Platz. Lobenswert: Das Studio hat trotzdem versucht, das Beste herauszuholen.

Die Bemühungen sind lobenswert, trotzdem wirkt vieles einfach wie eine billige Pappkulisse. Die Bewohner der Stadt, die als Hub-Bereich dient, in dem man die Story-Missionen annimmt, sind Statisten, die selbst bei scheinbar angeregten Gesprächen keinen Laut von sich geben. In echten Dialogen mit – besser als in Mass Effect: Andromeda animierten – Figuren klingen diese manchmal, als würden sie gelangweilt von einem Blatt Papier ablesen. Die Wahlmöglichkeiten in den Gesprächen spielen keine Rolle. Das Ergebnis ist immer dasselbe, man bekommt nur eine andere Variation des Dialogs zu hören.

Bei der Inszenierung hat sich BioWare stellenweise richtig ins Zeug gelegt. In vorgerenderten Zwischensequenzen sind gigantische Schlachten vor dem Anbruch des düsteren Zeitalters zu sehen, spielen kann man sie nicht. Dafür haben Kämpfe ordentlich Wumms und belohnen mit neonfarbenen Explosionen im Übermaß. Trotzdem wäre eigentlich mehr drin gewesen. Die Technologie der "Gestalter" kann die Realität beeinflussen – warum ist davon im Spiel nichts zu sehen?

Fazit

Wer ein Game mit der Tiefe der ersten Mass-Effect-Spiele erwartet, wird enttäuscht. Anthem bietet zwar eine atemberaubend schöne Welt mit vielseitigen Charakteren und einigen packenden Spielmomenten. Allerdings wiederholt sich das Spielprinzip schnell, und die Welt von Anthem fühlt sich trotz aller Schönheit leer und das Spiel unfertig an.

(lu/jag)