"Keeper-Test"

Angst bei Netflix – Wer nicht mithält, wird gefeuert

Während vom "Dream Team" und dem Fokus auf Menschen gesprochen wird, herrscht unter den Netflix-Mitarbeitern Angst und Schrecken.

Angst bei Netflix – Wer nicht mithält, wird gefeuert
Bei Netflix entscheidet der Keeper-Test über deine Zukunft bei dem Konzern: Wer einen Angestellten nicht erneut einstellen oder dessen Kündigung bekämpfen würde, sollte diesen besser entlassen.
REUTERS

Würdest du diesen Angestellten erneut anstellen? Oder: Würdest du versuchen, gegen eine Kündigung des Angestellten vorzugehen? Falls die Antwort auf eine dieser Fragen "Nein" lautet, dann solltest du den Angestellten feuern.

So zumindest lautet die Philosophie bei Netflix. In einem öffentlichen Memo mit dem Titel "The Best Work of Our Lives" (Die beste Arbeit unseres Lebens) macht der Streaming-Gigant klar, wen er unter seinen Angestellten haben will – und wen nicht.

"The Dream Team"

Bei Netflix drehe sich alles um die Menschen, heißt es in diesem Post. Soweit so normal in der Unternehmenssprache. Doch im Gegensatz zu anderen Konzernen sehe sich Netflx nicht als Familie, sondern als professionelles Sportteam – oder eben als "Dream Team".

Schnell wird in dem Memo klar, was der Konzern fordert: Selbstlosigkeit und hoher Einsatz. "Wir wollen nur Leistungsträger bei Netflix haben", so der Post. Die Arbeit bei dem Unternehmen sei toll. Doch: "Netflix ist nicht für jedermann".

Der "Keeper-Test"

In diesem Sinne gelte auch der sogenannte "Keeper-Test". Vorgesetzte sollen sich ständig fragen, ob sie ihre Angestellten wirklich wollen. Falls die Mitarbeiter den Test nicht bestehen, sei es "allen gegenüber fairer, schnellstmöglich getrennte Wege zu gehen".

Immerhin liefert Netflix noch eine süße Anekdote zum Namen des Tests. Dieser soll dem Mitgründer, Reed Hastings, eingefallen sein, als er sich an eine Aussage seines Vaters beim Fischen erinnerte: "That's a keeper Reed!"

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    Der Streaminganbieter Netflix hat seine Quartalszahlen präsentiert.
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    "Personalführung durch Angst und Schrecken"

    Diese Form der Personalkultur sei bei Großkonzernen in der Tat keine Neuheit, kommentiert Michael Beckmann, Professor für Personal und Organisation an der Uni Basel. "Sie ist auch unter dem Begriff 'shock and awe' – also Personalführung durch die Verbreitung von Angst und Schrecken – bekannt."

    Die Idee dahinter sei, dass die Arbeitskräfte permanent Sorge um den Verlust ihres Arbeitsplatzes haben und aus diesem Grund dann alles für den Job geben, im Zweifel sogar bis hin zu Erschöpfungszuständen oder mentalen Gesundheitsschäden.

    Unpassend in Zeiten des Fachkräftemangels

    Dabei passe diese Art der Personalführung nicht zu den sonst gebetsmühlenartig wiederholten Schönwetteraussagen, wie "die Mitarbeiter sind unsere wertvollste Ressource", so Beckmann – ein Satz, der sich übrigens fast wortgleich auch in dem Netflix-Memo finden lässt.

    Außerdem würden diese Kulturen natürlich auch nicht in die Zeit eines Fachkräftemangels passen. "Wenn ein Fachkräftemangel herrscht, sollte man erwarten, dass die Unternehmen sorgsam mit ihrem Personal umgehen, anstatt dieses unter permanenten Entlassungsdruck zu setzen."

    Amerikanischer Export in die Schweiz?

    Ihren Ursprung habe diese "shock and awe"-Kultur in den USA. "Aber sie werden in alle Welt exportiert, vor allem, wenn Unternehmen amerikanische Topmanager beschäftigen", so Beckmann von der Uni Basel.

    Ist so etwas also auch in der Schweiz denkbar? HR-Experte, Jörg Buckmann, sieht in dieser Kultur eine typisch amerikanische Entwicklung. "In der Schweiz jedoch kann ich mir so etwas kaum vorstellen."

    Sorgfältiger Umgang trotz liberalem Kündigungsschutz

    Der sorgfältige Umgang mit den Mitarbeitenden sei in dem Schweizer System und der hiesigen Kultur sehr stark verankert. "Und das, obwohl wir in der Schweiz einen sehr liberalen Kündigungsschutz haben", so Buckmann.

    An sich seien Kündigungen ein wichtiges Mittel und Unternehmen müssten die Arbeit eines Angestellten ständig evaluieren. "Mit einer solchen kommunikativen Peitsche aber bei den Arbeitnehmern Angst auszulösen, passt nicht zur Schweiz."

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      Auf den Punkt gebracht

      • Netflix setzt auf eine rigorose Personalpolitik, bei der Mitarbeiter ständig den sogenannten "Keeper-Test" bestehen müssen, um ihren Job zu behalten, was zu einer Atmosphäre der Angst führt
      • Diese Methode, die auf dem Prinzip "shock and awe" basiert, wird von Experten als unpassend in Zeiten des Fachkräftemangels und als typisch amerikanisch beschrieben, während sie in der Schweiz als kaum vorstellbar gilt
      red, 20 Minuten
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