Ukraine
Anastasia überlebt Raketen-Horror – weil sie im Bad war
Als die russische Rakete am Samstag ihr Wohnhaus in Dnipro trifft, überlebt Anastasia Shvets (23) wie durch ein Wunder. Sie hat dafür eine Erklärung.
"Ich habe keine Worte, ich habe keine Gefühle, ich fühle nichts als eine große innere Leere", schreibt Anastasia Shvets aus dem Spital der ukrainischen Industriestadt Dnipro. Die 23-Jährige hat wie durch ein Wunder überlebt, als die russische Kinshal-Rakete am Samstagnachmittag den Gebäudekomplex traf, in dem sie mit ihren Eltern wohnte.
Eltern tot, doch sie überlebt
200 Wohnungen wurden zerstört, Dutzende Menschen in den Tod gerissen und unter Trümmern begraben. Mindestens 44 Menschen starben, darunter fünf Kinder. Die Rettungskräfte konnten über 70 Verletzte bergen. Darunter auch Anastasia. Sie hatte das Glück, dass sie sich während des Einschlags im Badezimmer mit tragenden Wänden aufhielt – im Gegensatz zu ihren Eltern, die in der Küche saßen und seither verschwunden und wohl tot sind.
"Es gab nur noch Abgrund"
Es gelang der 23-Jährigen, unter den Trümmern des verschütteten Badezimmers hervorzukriechen. Sie weiß noch, wie sie ihre Hosen suchte und nicht fand. Wie sie halbnackt auf den riesigen Betonbrocken kauerte, die kurz zuvor noch Teil des siebten Stocks gebildet hatten. "WC, Küche, Flur und Speisekammer waren weg, es gab nur noch den Abgrund", schreibt Anastasia später auf Instagram.
Sie habe "eine Wunde am Kopf und Schnitte an den Beinen", sei aber ansonsten unversehrt – was sie auf ihren erst im September verstorbenen Verlobten zurückführt: "Ich fühlte, dass Wladislaw mich beschützen würde."
Körpertemperatur bei 31 Grad
Ihre wundersame Rettung erfasst die Kamera von Arsen Dzodzayew, einem Ingenieur und Fotografen: Anastasia mit nackten Beinen in der Eiseskälte hoch auf dem zertrümmerten Wohnkomplex. Sie hält ein grünes Stofftier und Weihnachtsgirlanden in der Hand, will sich von beiden nicht trennen. Die andere Hand bedeckt ihren Mund, wie um einen Schrei zu ersticken. Anastasias Körpertemperatur beträgt 31 Grad, als sie ins Spital kommt.
Die Suche nach Überlebenden in Dnipro ist mittlerweile eingestellt worden. Der Angriff war der schwerste, seit Russland vor drei Monaten damit begann, ukrainische Städte auch weit weg von der Front mit Raketen zu überziehen.