Wien
Ärzte ohne Grenzen: "Schulen ukrainische Mediziner ein"
In der Ukraine fehlt es an allem, vor allem aber an medizinischer Versorgung. Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" schult nun Mediziner im Land.
Sie gehen in jene Gebiete, aus denen andere flüchten und helfen, wo Hilfe am nötigsten ist: Mit 50 Freiwilligen ist die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" im ukrainischen Kriegsgebiet vertreten. Der Einsatz ist mit einer ständigen Ungewissheit verbunden, wie die Laura Leyser, Geschäftsführerin in Wien, im Gespräch mit "Heute" berichtet: "Die Situation ändert sich stündlich. Wir arbeiten deshalb bedarfsorientiert, je nachdem, was gerade gebraucht wird. Die Lage derzeit ist unübersichtlich."
"Es mangelt an Medikamenten und Narkosemittel"
Große Sorge herrsche hinsichtlich der medizinischen Versorgung im Land, sagt Leyser. "Der Zugang zur Versorgung ist teilweise nur mehr eingeschränkt und teilweise gar nicht mehr vorhanden. Die Sicherheitslage ist schlecht, medizinische Einrichtungen wurden zerstört. Es mangelt an Medikamenten, Narkosemittel und anderen Medizinprodukten, Ärzte können nicht gut arbeiten." Die Organisation sei stets mit den medizinischen Einrichtungen im Land in Kontakt, man arbeite eng zusammen, sagt die Wiener Geschäftsführerin. In den ukrainischen Krankenhäusern bietet "Ärzte ohne Grenzen" nun Trainings für Mediziner vor Ort an. "Das sind Ärzte, die nicht gewohnt sind, Kriegsverletzungen zu versorgen oder schwer traumatisierte Menschen zu behandeln", sagt sie. "Jetzt sind sie plötzlich mit solchen Situationen konfrontiert. Hier helfen wir."
"Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit"
Auch große Hilfslieferungen sind bereits am Weg in die Ukraine – der Bedarf ist riesig. "Es gibt in manchen Regionen kaum Wasser, keinen Strom oder Gas. Die Nahrungsmittel sind knapp. Die humanitäre Situation spitzt sich zu", so Leyser. Immer mehr Städte stehen unter Beschuss, wie der nächste Tag aussieht weiß niemand. "Es ist extrem kritisch. Wir können nicht mehr gut arbeiten. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit." Auch an den Grenzübergängen ist "Ärzte ohne Grenzen" im Einsatz. Hier ist die Lage kaum besser: "Es ist chaotisch, viele Frauen und Kinder sind unterwegs, teilweise wenige Tage alte Babys, die im Krieg geboren wurden und schwer unterkühlt sind. Unsere Teams erleben viel."
Seit 1999 im Einsatz in der Ukraine
Immer wieder gibt es Diskussionen um humanitäre Korridore, über die Zivilisten das Land verlassen können. So gut die Intention dahinter ist, Leyser sieht dies auch kritisch: "Nicht alle können raus. Es gibt Menschen, die zu schwach sind, um zu gehen, oder die ihre Heimat einfach nicht verlassen wollen. Wir befürchten, dass die Gewalt gegen Zivilisten wieder zunehmen wird, wenn die Korridore geschlossen sind. Sie werden dann nicht mehr als Zivilisten betrachtet." Humanitäres Recht müsse immer beachtet und Zivilisten immer aus den Kriegsgebieten herauskommen, fordert sie.
Seit 1999 ist die Organisation in der Ukraine im Einsatz, seit 2014 verstärkt im Osten. Im Einsatz sind ausschließlich Freiwillige. "Man kann immer 'Stopp' sagen, das ist uns ganz wichtig", stellt Leyser klar. Die Ehrenamtlichen erhalten vor, während und nach ihrem Einsatz psychologische Betreuung sowie intensive Briefings. Besonders danach sei dies wichtig, erklärt die Geschäftsführerin: "Während der Einsätze kommt man oft gar nicht dazu, darüber nachzudenken. Aber die Erlebnisse hinterlassen Spuren, die oft erst später hervorkommen."
Wer "Ärzte ohne Grenzen" unterstützen möchte, kann hier für Nothilfeeinsätze spenden. Wer ein Teil der Organisation werden möchte, kann sich online bewerben und muss dann einen Prozess durchlaufen.