Wien

9 bis 353 €/m2: Kritik an Miet-Chaos in Wiens Spitälern

Der Stadtrechnungshof prüfte die Mietverträge in den neun Gesundheitseinrichtungen der Stadt. In einer Klinik variierte der Mietzins um den Faktor 40!

Heute Redaktion
Teilen
Die Mietpreise in der Klinik Floridsdorf variieren stark.
Die Mietpreise in der Klinik Floridsdorf variieren stark.
picturedesk.com

Nicht nur am Wohnungsmarkt unterscheiden sich die Preise pro Quadratmeter. Während das mit Lage, Ausstattung und Zustand der Wohnungen meist halbwegs erklärbar ist, gibt die Mietpreisgestaltung in den Gesundheitseinrichtungen des Wiener Gesundheitsverbunds doch einige Rätsel auf. Der Wiener Stadtrechnungshof prüfte nun die Vermietung und Verpachtung von Geschäftsflächen in Krankenanstalten in Bezug auf Handels-, Gastronomie- und Dienstleistungsbetriebe in den Jahren 2018 bis 2020 – und kam zu erstaunlichen Ergebnissen!

Diese Geschäftslokale gibt es in den jeweiligen Kliniken.
Diese Geschäftslokale gibt es in den jeweiligen Kliniken.
Stadtrechnungshof Wien

Zum einen fällt – nicht nur dem Stadtrechnungshof – auf, dass nicht in allen Kliniken Geschäftsflächen tatsächlich vermietet wird und nicht überall Einkaufsmöglichkeiten gegeben sind. Das ist nicht nur unangenehm für Personal, Patienten und Besucher, sondern auch für den Steuerzahler, da hier mögliche Einnahmen nicht getätigt werden. Die Prüfer halten in ihrem Bericht also fest: "Nach Ansicht des Stadtrechnungshofes Wien wäre es neben dem wirtschaftlichen Aspekt der möglichen Lukrierung zusätzlicher Einnahmen insbesondere auch im Interesse von ambulanten und stationären Patientinnen bzw. Patienten, Besucherinnen bzw. Besuchern und Mitarbeitenden der Krankenanstalten des Gesundheitsverbundes, ein Mindestangebot an Handel und Gastronomie vorzufinden. Es wurde daher empfohlen, in sämtlichen Krankenanstalten zumindest ein gastronomisches Angebot sowie die Möglichkeit des Erwerbes von Lebensmitteln und Hygieneartikeln für den täglichen Bedarf vorzusehen."

Jede Klinik kocht ihr eigenes Süppchen

Auch die Art und Auswahl der Vergabe an Mieter macht den Stadtrechnungshof wenig glücklich. Weder gab es für den Gesundheitsverbund einheitliche Vertragswerke, noch gesamtheitliche Überlegungen bezüglich des Branchenmixes in den einzelnen Häusern. Die zentrale Vertragsdatenbank des Wiener Gesundheitsverbundes war weiters für manche Anwender ein Buch mit sieben Siegeln: "In Gesprächen mit Mitarbeitenden der Einrichtungen gewann der Stadtrechnungshof Wien den Eindruck, dass sich nicht allen Anwenderinnen bzw. Anwendern in den Krankenanstalten der Mehrwert der zentralen Vertragsdatenbank erschloss. Die Steuerung der Verträge, insbesondere die Evidenthaltung von vertraglich vereinbarten Terminen, erfolgte oftmals noch in den jeweiligen bewährten Weisen", so die Prüfer.

So viel wurde in den Krankenanstalten der Stadt Wien an Miete und Pacht eingenommen.
So viel wurde in den Krankenanstalten der Stadt Wien an Miete und Pacht eingenommen.
Stadtrechnungshof Wien
So viel nahmen die Krankenanstalten im Schnitt pro Quadratmeter ein.
So viel nahmen die Krankenanstalten im Schnitt pro Quadratmeter ein.
Stadtrechnungshof Wien

Bei den jeweiligen Miet- und Pachtverträgen ortet der Stadtrechnungshof Wien starke Unterschiede in der Ausgestaltung. Und: Die Prüfung ergab, dass der Erlass "Geschäftsräumlichkeiten im KAV" aus dem Jahr 2010 bei den ab diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verträgen von den geprüften Krankenanstalten nicht immer eingehalten worden war. So fehlte bei mehreren Verträgen die im Erlass spätestens nach fünf Jahren ab Vertragsabschluss vorgesehene Kündigungsmöglichkeit für den Gesundheitsverbund. Auch die Vorgabe, wonach ein umsatzabhängiger Bestandzins zu vereinbaren sei, wurde in zahlreichen Fällen nicht eingehalten."

Der Stadtrechnungshof Wien empfahl der Generaldirektion, durch entsprechende Maßnahmen die Konformität der Verträge mit den von ihr erstellten Vorgaben sicherzustellen.

Abgesehen von den erlassmäßig geregelten Inhalten wiesen die Bestandverträge auch erhebliche Unterschiede bei der Höhe der Bestandzinse auf. Laut Auskunft der zuständigen Mitarbeitenden des Gesundheitsverbundes ergaben sich diese "in erster Linie aufgrund der Angebote im Rahmen der jeweiligen Interessentensuche. Zu bemerken war, dass dabei nicht in allen Fällen ein Sachverständigengutachten über einen angemessenen Bestandzins zugrunde lag", so die Prüfer.

Besonders eklatant sind die Unterschiede bei den Miet- und Pachtzinshöhen pro Quadratmeter und Monat in der Klinik Floridsdorf: Die erzielten Erträge liegen hier zwischen 9,01 Euro/Quadratmeter und 353,17 Euro/Quadratmeter – das entspricht der 40-fachen Miete (siehe Tabelle unten)!

Die Mieten pro Quadratmeter variieren um den Faktor 40!
Die Mieten pro Quadratmeter variieren um den Faktor 40!
Stadtrechnungshof Wien

Abschließend äußern sich die Prüfer zum Mietzins-Chaos so: "Hinsichtlich der überblicksweise betrachteten flächenbezogenen Erlöse ist festzustellen, dass diese eine große Bandbreite aufwiesen. Ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Bestandzinse und der Branchen, Lage und Größe der jeweiligen Geschäftsflächen war dabei nicht erkennbar." Der Stadtrechnungshof Wien empfiehlt, die Mindestbestandzinse anhand von Gutachten über die Preisangemessenheit festzulegen. In Bezug auf alle Vertragsbestimmungen empfahl der Stadtrechnungshof Wien, künftig eine möglichst einheitliche und zweckmäßige Gestaltung sämtlicher Bestandverträge vorzunehmen.

Auch bei Snackautomaten sehen Prüfer Verbesserungspotential

Weiters durften in manchen Kliniken Snackautomaten ohne Entgelt aufgestellt werden, der Stadt und somit dem Steuerzahler entgingen so Einnahmen. Der Stadtrechnungshof Wien empfahl, "die bestehenden Konditionen für Verpflegungsautomaten zu evaluieren und künftig für den Gesundheitsverbund möglichst wirtschaftlich günstige Lösungen zu erzielen."

Besonders großzügig zeigte man sich beim Thema Snacken im Therapiezentrum Ybbs: Dort wurden die Rückvergütungen aus den Automatenaufstellungen direkt vom aufstellenden Unternehmen an einen Verein überwiesen. Diese Förderung sei weder entsprechend den Bestimmungen der Stadt Wien abgewickelt worden, noch sei sie in Bezug auf die Höhe und die konkrete Verwendung transparent, so der Stadtrechnungshof. Die Prüfer empfehlen, das umgehend zu ändern und die Erlöse selbst zu kassieren.

Apropos Essen: Die Prüfer empfehlen "zumindest ein gastronomisches Angebot sowie die Möglichkeit des Erwerbes von Lebensmitteln und Hygieneartikeln für den täglichen Bedarf" in den Gesundheitseinrichtungen vorzusehen. Der Wiener Gesundheitsverbund sagte zu, das bei künftigen Projekten so zu machen.

ÖVP ortet "chaotische Zustände im Wiener Gesundheitsverbund"

"Im Betrachtungszeitraum hat der Stadtrechnungshof massive Mängel und Chaos im Bereich der Geschäftslokalvermietungen des WiGeV festgestellt. Die geprüften Flächen - etwa Lebensmittelgeschäfte oder auch Gastronomie - wurden in Fällen intransparent und zu am Markt nonkonformen Preisen vergeben. Hier weiß die eine Hand einfach nicht, was die andere tut. Transparenz ist hier ein Fremdwort", so die Gesundheitssprecherin der neuen Volkspartei Wien Ingrid Korosec. Sie sieht den zuständigen Stadtrat Hacker in der Pflicht. "Es gibt klare Regelungen seitens der Generaldirektion betreffend Vermietung von Geschäftsflächen in den Wiener Spitälern des WiGeV. Der Bericht zeigt klar den massiven Aufholbedarf von Stadtrat Hacker im Bereich der Transparenz auf“, so Korosec.

1/50
Gehe zur Galerie
    <strong>21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert</strong>. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. <a data-li-document-ref="120073491" href="https://www.heute.at/s/fuer-490-euro-voellig-ungeniessbares-schulessen-serviert-120073491">"Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.</a>
    21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. "Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.
    privat, iStock